Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)
nicht sagen, was genau mich dazu getrieben hat … Vielleicht Neugierde, Überdruss oder der menschliche Teil, der sich nach der Erde sehnte. Ich bin jedenfalls eine Weile zwischen den Welten hin- und hergependelt und dann … dann bin ich dir begegnet …“ Sie hatte das deutliche Gefühl, dass Nick ihr an dieser Stelle einen Blick zuwarf, ehe er weitersprach.
„Was danach passiert ist, bis zu deinem unfreiwilligen Aufbruch aus der Stadt, das weißt du ja. Ich bin nicht mehr zurückgekommen, sondern hab mich direkt auf die Suche nach dir gemacht. Doch es dauerte nicht lange, bis sich Merkas und mein Weg erneut kreuzte. Es gab sonst niemandem zu dem ich … gehen hätte können oder wollen. Ich war … ziemlich wütend auf deine Eltern, um es milde auszudrücken. Es war eine Wut, die ich bis dato noch nie wahrgenommen hatte. Merkas war äußerst angetan von diesem heiß glühenden Feuer, wenn er auch nicht verstand, wie mich „deine Entführung“ in solch eine Rage versetzen konnte. Er bot mir an bei ihm zu wohnen und für ihn zu arbeiten. Ich schlug sein Angebot nicht aus.
In meinem Zorn, dich nicht zu finden, und unter Merkas Einfluss kamen gewisse … Bedürfnisse und Vorlieben zum Vorschein, die ich ausleben wollte. Anders und stärker als früher, bevor wir uns begegnet sind. Er und ich sind gemeinsam auf Jagd gegangen – und damit meine ich nicht das, was ihr Menschen unter Jagd versteht. Jeder Sensat hat andere Bedürfnisse und Sehnsüchte, die ihn bewegen, ihn anziehen, die er begehrt, die „seinen Geschmack“ treffen. Möglicherweise kannst du es mit der Vorliebe für bestimmte Speisen vergleichen. Die Jagd eines Sensaten hat nicht zwingend etwas mit Töten zu tun. Es geht mehr darum einen persönlichen Trieb zu befriedigen. Da jeder von uns andere innere Triebe in sich beherbergt, sieht auch jede Jagd anders aus. Der Tod ist meist nicht das eigentliche, das beabsichtige Ziel. Wenn er auch oftmals das resultierende Ergebnis einer Jagd ist.“
Sie hing an jedem seiner Worte, ließ jedes einzelne davon in sich aufgehen und sezierte es mit all ihren Sinnen, mit all ihrer bewussten Wahrnehmung. Dennoch hatte sie immer noch keine klare Antwort für die tote Frau hinter sich, und obwohl sie ihn in Ruhe weitersprechen lassen, mehr erfahren, es verstehen wollte, entfuhren ihr die Worte, ohne dass sie sie darin hindern konnte: „Diese Frau ist also tot, weil … du eine Vorliebe oder Schwäche dafür hast mit Frauen zu schlafen und sie dann zu töten? Oder war das nur der schlussendliche Nebeneffekt bei der intensiven Auslebung deiner Vorliebe? Hast du sie … einfach tot gevögelt? Was genau hast du mit ihr gemacht …? Warum liegt sie nackt und tot hier auf deiner Couch?“
Sie riskierte einen Seitenblick auf Nikolaj und fühlte einen scharfen Stich im Herzen. Er sah gequält und neben sich stehend aus – aber er erschien ihr auch seltsam abgeklärt und hart. Etwas leiser sagte sie: „Ich will das alles wissen, Nick. Aber zuerst will ich – muss ich – genau wissen, warum sie tot ist und was du mit ihr gemacht hast.“
Er lehnte den Kopf zurück gegen die Lehne. „Die Antwort darauf ist nicht so einfach, wie du vielleicht denkst. Es war keine bewusste oder gezielte Entscheidung, die mich diese Frau hierherbringen hat lassen. Ich … konnte nicht anders … ich wollte es einfach zu sehr. Ich hab dir gesagt, dass ich nur zu dir gekommen bin, weil du in Gefahr warst. Nicht, weil es mir gut ging, weil ich wieder in guter, in zumutbarer Verfassung gewesen bin. Ich würde dir niemals absichtlich weh tun, Gweny … aber es gibt einen Teil in mir, der sich fürchtet dir doch gefährlich werden zu können, der fürchtet dir doch … wehtun zu können. Deshalb habe ich dir das Versprechen abgenommen, dass du es sagst, wenn ich dir nicht mehr gut tue. Ich bin mir nicht sicher, ob ich stark und konsequent genug wäre mich von dir fernzuhalten, wenn ich feststellen würde, dass ich nicht mehr gut für dich bin. Ich weiß nicht, ob ich mir selbst trauen kann. Ich bin mir nicht zur Gänze darüber klar, zu was ich fähig bin …“
Kummer nagte an ihr wie eine lästige Ratte.
Er sprach weiter: „Ich wollte nicht, dass das hier passiert. Aber ich war kurz davor … zu explodieren. Ich hatte Angst, dass ich es tun würde, wenn du in der Nähe bist … und ich wollte jenem Teil in mir, der jagen wollte, der nach Nahrung verlangte einfach nur nachgeben. Nur dieses Mal. Ich wollte, dass es aufhört, dass dieses
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