Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)
nicht verbiegen oder verstellen würden. Dass sie immer sein werden, was sie sind. Dass du immer sein wirst, was du bist. Egal, was du mir vormachst. Er würde dich jederzeit daran erinnern … und mich auch …“ Sie brach ab.
Nikolaj stand wie versteinert da und sah sie an. In seinem Inneren schien es glühend heiß zu brodeln und zeitgleich war es, als würde ihn stechend scharfe Kälte schmerzhaft durchbohren. „Warum hast du mir nicht früher von diesem Traum erzählt?!“ Er klang wütend und erschrocken.
„Weil ich … es vergessen habe. Angesichts dieser Frau …“
Er atmete einige Male tief durch und sah sich Haare raufend ringsherum um. „War das alles?“ Er presste es mühsam zwischen den Zähnen hervor und sah ihr wieder ins Gesicht.
„Wie meinst du das?“
Er trat näher an sie heran, umfasste ihre Schultern mit beiden Händen und schüttelte sie leicht. „War das alles oder gab es noch mehr? Mehr Träume? Mehr „anderes“ von dieser Art?“
Ahnte er nach diesem Geständnis von einer realen Begegnung mit Merkas? Erkannte er hier die in greifbarer Nähe schlummernde Wahrheit, die sie neulich mit einer Lüge verschleiert hatte? Sie konnte seine Wut fühlen, welche aber scheinbar nicht ihr galt. Und sie konnte Schmerz und Furcht wahrnehmen, die ihr noch viel mehr Angst einjagten als alles Bisherige. Sie sah es ihm an und sie konnte es fühlen: Er nahm diesen Traum, nahm Merkas auf seine Kappe. Er wollte nicht, dass sie damit in Berührung kam und rang nach einer Lösung.
Hatte sie auch neulich im Bett nicht gewusst, warum sie ihm eine Lüge vorsetzte, so wusste sie es doch in diesem Moment. Sie hatte sich genau vor solch einer Reaktion gefürchtet. Sie hatte geahnt, dass er sich die Schuld geben würde. Dass er es niemals zulassen würde, dass ihr etwas passierte. Auch, wenn das bedeutete, sich von ihr fernzuhalten. Genau das war es gewesen, was ihr solches Unbehagen verursacht und sie zu einer Lüge verleitet hatte. Ihre größte Furcht und Angst galt nicht der ganzen Sensatengeschichte oder Merkas, sondern der Trennung von Nick. Hier und Jetzt konnte sie in seiner Mimik ihre bestätigte Vorahnung lesen. Er rang mit sich, zog eine Trennung in Betracht um sie zu schützen, wenn es nötig sein sollte.
Nein. Sie würde ihm gewiss nicht noch mehr Grund für die Umsetzung seiner Gedanken liefern. „Es gab nicht mehr – von was auch immer. Mir ist nichts passiert. Außer, dass ich eine heiden Angst hatte. Aber es war ja nur ein Traum. Bestimmt habe ich die Begegnung mit Merkas einfach mit in den Schlaf genommen und die hat dort albtraumhafte Wurzeln geschlagen.“
Ihre Antwort schien ihn keineswegs zu befriedigen.
Nur ein Traum,
war es gewiss nicht. Vergiss nicht, dass er ein Sensat ist – nicht nur ein boshafter oder gemeinwilliger Mensch. Es war nicht nur ein Traum. Es war ein Abstecher von Merkas in deinen Traum, in dein Unterbewusstsein. Das ist keineswegs harmlos oder ungefährlich. Dir kann so tatsächlich etwas passieren. Du könntest nicht mehr aufwachen. Er könnte deinen Geist in der Schwebe zwischen Schlafen und Wachen festhalten. Du als Ärztin würdest es vermutlich als Koma bezeichnen. Also sag nicht, dass es NICHTS ist.“
Sie schauderte. Ihre verdrängte Befürchtung, dass der Traum mehr gewesen sein könnte als nur ein Traum, bewahrheitete sich mit Nicks Worten. Genau genommen schien ihre Befürchtung nun winzig klein, angesichts dieser Offenbarung.
Gedankenströme pulsierten in ihrem Kopf und eine aus dem Kontext gerissene Frage drang aus ihrem Mund hervor: „Was willst du … Soll das heißen, dass jeder Patient, der im Koma liegt, von einem Sensaten gefangen gehalten wird?“
Nikolaj biss die Zähne zusammen. „Ist dass das Einzige, was dich jetzt beschäftigt? Ich mache keine Witze. Das hier ist kein Spaß, Gwen.“
Sie wusste, dass er recht hatte. Dennoch hielt sie sich an dieser Frage fest, als ob diese sie vor dem Ertrinken bewahren könnte.
Nikolaj fluchte. „Sicherlich nicht jeder im Koma liegende Patient, aber einige davon bestimmt … Der menschliche Geist kann sich auch von ganz allein verirren oder gewollt abkapseln. Aus verschiedenen Gründen heraus. Hier liegt es ganz bei ihm, in welche Räume er abdriftet. Wann und wie er wieder aus der Versenkung auftaucht. Und ob.“
Die Antwort beruhigte sie auf eine verdrehte Art und Weise und ließ sie wieder klarer werden. „Aber man kann doch bestimmt was dagegen machen? Ich meine … ein Sensat
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