Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)
hören, dass man ein Nichts ist, Abschaum ist, das zerstört mit einschlagender und faszinierender Wucht, frisst einen von innen heraus auf, bis nur noch Kadaver übrig sind. Zeit ist hier kein guter Freund, lässt keinen Frieden finden, sondern flößt mit jedem Tag noch ein wenig mehr ätzende Säure in die Wunde. Außerdem gibt es keine gerechtfertigten Ausflüchte sich das Leben nehmen zu können. Es ist eher so, dass man diese Wunden hinnehmen und ertragen muss, um zumindest irgendetwas beweisen zu können und sei es nur, dass man sich nicht auch noch wie ein Schwächling verhält.
Ach ja. Nicht zu vergessen: Ein Teil denkt, es wäre die Wahrheit. Er hätte genau das verdient.
Das wird es sein, was übrig bleibt. Was Nikolaj übrig bleibt. Blutige und quälende Zerrissenheit, die ihn tagtäglich an das erinnert, was im widerfahren ist. Was
jemand
, den er geliebt und vertraut hat, ihm angetan hat.“
Er hielt kurz inne und grinste sie mit der Miene eines Weihnachtsmannes an. Sie hingegen wartete auf die Bombe, die der Terrorist bereits in Händen hielt und ihr zu übergeben gedachte.
„Was ich von dir will, ist Folgendes: Ich will, dass du zu Nikolaj gehst und ihm eine kleine Szene vorspielst. Besser wäre es jedoch, wenn du sie nicht nur vorspielst, sondern authentisch und glaubwürdig verkörpern würdest. Sieh es einfach als Training deiner schauspielerischen Fähigkeiten an. Die kann man schließlich immer brauchen.“
Abermals hielt er kurz inne, dann fragte er gespielt theatralisch: „Liege ich richtig, wenn ich behaupte, dass Nikolaj vor nicht allzu langer Zeit zwei Menschen getötet hat? Zwei Kerle, wenn ich nicht irre … in einer schmutzig feuchten Gasse …?“
Der Kloß in ihrem Hals wurde immer dicker.
„Liege ich außerdem richtig, wenn ich behaupte, dass auch eine unschuldige Frau in jüngster Vergangenheit ihr Leben aushauchen musste?
Ich will, dass du Nikolaj sagst, dass er ein Mörder, dass er ein Monster ist. Ich will, dass du ihm sagst, dass du ihn verachtest und verabscheust und dass du dich nicht länger mit ihm abgeben willst. Ich verlange von dir, dass er jedes Wort aus deinem Mund glaubt. Ich verlange von dir, dass er deine Abscheu, deinen Ekel und deinen Hass mit jeder Faser seines Seins fühlt. Ich will, dass du ihn verrätst – und dass er dir deinen Verrat zur Gänze abkauft.
Also Herzchen: Hast du verstanden, was ich von dir will?“
Sie sah ihn mit geweiteten Augen und leicht geöffnetem Mund an. Sah, wie Erregung auf seinem Gesicht blitzte, die Übelkeit in ihr hervorrief. Irgendwo in ihrer Benommenheit nahm sie wahr, dass ihre Füße zitterten und dass die Wand in ihrem Rücken wohl der einzige Grund war, dass sie überhaupt noch aufrecht stand.
Sie befeuchtete ihre Lippen und setzte zu einer zitternden Erwiderung an: „Wie kommst du darauf, dass ich das tun würde?“
Er schmunzelte. „Ich kenne dich noch nicht lange und ich kenne dich nicht gut. Aber eines weiß ich: Du kannst niemanden leiden oder gar … sterben lassen. Schon gar nicht deinetwegen. Du hast einen Freund – jetzt wohl Ex-Freund – der den Tod finden könnte, weil er mit der falschen Frau zusammen war. Du hast Eltern, die weit entfernt von all dem hier sind aber dennoch den Tod finden könnten, weil ihre Tochter die falsche Entscheidung trifft. Du hast Arbeitskollegen, zum Beispiel diese nette ältere Schwester, die so besorgt um dich schien, die nebst deinen anderen Kollegen bald selbst im Leichenschauhaus landen könnte, weil eine von ihnen sich nicht um ihre Unversehrtheit bemüht hat.
Sag mir: Kannst du sie alle sterben lassen? Deinetwegen? Nikolajs wegen?“
Sie konnte nicht mehr atmen. Der in ihren Lungen befindliche Sauerstoff und die Luft um sie herum fühlten sich plötzlich dick und zäh an. Wie eine klebrige Masse, die keineswegs etwas Lebensspendendes zu geben vermochte.
Sie starrte in Merkas vergnügtes Gesicht, das für sie nicht mehr war, als ein dunkler Schatten, der sie in sich ersticken wollte.
Sie bemerkte kaum, wie sie die Wand herunter glitt und am Boden ankam. Erst als Merkas vor ihr in die Hocke ging, um mit ihr auf Augenhöhe zu sein, wurde sie sich ihrer gefallenen Position bewusst.
„Nun? Was sagst du zu deiner Rolle? Möchtest du sie spielen, oder möchtest du die Konsequenzen der Verweigerung auf dich nehmen?“
Tränen standen ihr in den Augen. „Warum … warum machst du das? Was hast du davon? Was hat Nick dir getan?“
Er hob eine
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