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Wenn das der Führer wüßte

Wenn das der Führer wüßte

Titel: Wenn das der Führer wüßte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otto Basil
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über die Landstraße Heydrich-Kelbra nach Nordosten rollte. (Auch hier zeigten die Straßenschilder in die falsche Richtung.) In dichter Folge fuhr ein Lkw hinter dem andern, auch Superschwere Kettenfahrzeuge rasselten vorbei – es waren Wehrmachttransporte, Truppenverschiebungen, die grauen, mit Netzen überzogenen Stahlhelme glänzten stumpf im Widerschein des immer röter werdenden Nachthimmels. Dann kamen Panzer, schwere und leichte, Höllriegl unterschied Mörserträger und Flammpanzer, auch PAK und FIA-Züge waren darunter. Kein Schuß fiel hier draußen, oder das Gerassel verschlang jeden Laut.
    Neben ihm und hinter ihm, neben der Straße und querfeldein bewegten sich dunkle formlose Massen. Höllriegl sah größere und kleinere Gruppen, das Gelände war voll davon. Sichtlich Trupps, die von der Trauerfeier kamen und nun ihren Standquartieren zustrebten. Ein düsteres Bild – ein Bild der Gedrücktheit, Kopflosigkeit, Auflösung.
    Es gab einen gut befahrbaren Weg nach Rottleberode, den könnte er nehmen, wenn der nicht auch blockiert war. Dieser Fahrweg lief eine Zeitlang neben dem Damm der Lokalbahn Stolberg-Kelbra und überquerte vor Rottleberode das Geleise. Ihm war bekannt, daß man von dort einen oder zwei Kilometer zurückfahren mußte, um das Gut der Eyckes zu erreichen. Der Umweg war gering, aber jede Verzögerung machte ihn heute rasend.
    Sehnsucht nach Ulla – mehr denn je begehrte er sie! Er war blind für vernünftige Überlegungen, Taktik und dergleichen, es war ihm jetzt egal. Heute fühlte er sich ihr sogar gewachsen. Ob sie ihn wollte oder nicht, ob sie ihn überhaupt zur Kenntnis nahm, das alles war gleichgültig. Mit Scham dachte er an sein Abenteuer bei den Eyckes. Damals – es war erst eine Woche her – hatte er sich regelrecht vor ihr gefürchtet. Er erinnerte sich, daß er am liebsten umgekehrt wäre. Wie verächtlich! Auch die Pendlerei war verächtlich, er hatte sich wie ein Domestik benommen, und die Pendlerei machte ihn dazu. Ein entwürdigendes Gewerbe, zumindest in Ullas Augen. Schändlich! Diesem Weib mußte man mit Herrentum imponieren, mit Kraft, Rasse, Siegeswillen. (Vielleicht auch mit Geld.) Es wurde ihm unbehaglich, wenn er daran dachte, daß er noch vor wenigen Stunden von Ulla gepeitscht werden wollte. Auch Anselma war von solcher Art, nur raffinierter, perverser – und er schien ganz der Typ zu sein, auf den derlei Weiber flogen, um ihn zu demütigen, auszunützen, für ihre Zwecke zu mißbrauchen. Schändlich, schändlich! Damit aber war nun ein für allemal Schluß! Vor Ulla durfte man nicht kriechen, ihr die Peitsche bringen, diese Amazone mußte man mit brutaler Gewalt niederzwingen. Und heute würde er das auch tun, wenn sie sich ihm verweigerte …
    Wie Schemen, schweigsam, ohne Gruß, zogen die Trupps an ihm vorüber; sie waren in großer Eile, soweit dies die schlechte Sicht und der aufgeweichte Boden erlaubten. Manchmal mußte er länger haltmachen, wenn eine Gruppe mit traurig schaukelnden Standarten oder eingerollten, in Futterale gepackten Fahnen den Weg versperrte. Ein paarmal wurde er abgeleuchtet, doch Senkpiehls Sanitätsauto durfte überall durch. Schließlich hielt Höllriegl die Ungewißheit nicht mehr aus. Er blieb stehen und fragte unter dem Vorwand, sich verfahren zu haben, ob es hier nach Kelbra ginge. Ja, da ginge es. Dabei kam er in ein kurzes, aber aufschlußreiches Gespräch. Es war Mannschaft in getigerten Kampfanzügen, eine Wehrmachtstreife oder Waffen- SS . „Was ist denn los?“ platzte Höllriegl heraus. Und er erfuhr, nach einigem Hin und Her und gesprächsweisem Abtasten, folgendes:
    Die sogenannte Waffenruhe hatte getrogen. Seit ein paar Stunden war ein Überfall von unvorstellbarer Wucht auf das Reich im Gang. Besonders Harz und Kyffhäuser waren bedroht, wegen der Menschenansammlungen in diesem Raum. Panikschläge, auch auf den Flüchtlingsstrom, seien zu gewärtigen. „Für das gesamte Reichsgebiet ist Alarmstufe Eins angeordnet, doch Strahlenalarm hat man erst vor einer Viertelstunde gegeben.“ Der Mann, Truppführer oder so was, deutete auf sein Taschenradio. „Bis jetzt ist die Wahrheit vertuscht worden – mit Recht. Es gab nur verschlüsselte Meldungen. Nun aber ist das ganze Volk, Mann, Frau und Kind, zur äußersten Abwehr aufgerufen.“
    Ein großer aerodynamischer Flugkörper unbestimmten Typs hatte kurz vor 18 Uhr, so berichtete der Truppführer mit schneidender Sachlichkeit weiter, die Taktische Raketenstaffel in

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