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Wenn das der Führer wüßte

Wenn das der Führer wüßte

Titel: Wenn das der Führer wüßte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otto Basil
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Zimmern – die Höllriegl nun rasch durchschritt, wobei er das einzige offene Fenster schloß – war von der gleichen faustdicken Romantik wie das der übrigen Räume. Trotzdem machten sie auf Höllriegl einen weit wohnlicheren Eindruck. Vielleicht weil hier, sehr im Gegensatz zur ausstellungshaften Ordnung draußen, ein munteres Kunterbunt von Gebrauchsdingen herrschte, was dem Ganzen den Anstrich wilder Improvisation, Schlamperei, ja geradezu weiblicher Zuchtlosigkeit gab. Laden waren aufgerissen und nicht wieder geschlossen worden. Schränke standen offen, so daß man deren ungeordnetes Inneres sehen konnte (was etwas Schamloses, die Schamlosigkeit von Eingeweiden, hatte). Auf den Fauteuils lagen hingestreute Kleidungsstücke, darunter, wie Höllriegl es durchzuckte, auch intime. Auf dem Boden des mittleren und größten Zimmers mit der überbreiten Couch und dem mächtigen Führerbild ihr zu Häupten hatte sich ein lachsfarbener, schillernder Schlüpfer selbständig gemacht, an dem noch Seidenstrümpfe hingen. Das über die Couch gebreitete Tigerfell war mit Romanheften, Papiertaschentüchern und Briefen bedeckt. Zu Füßen des ovalen, um die Mittelachse drehbaren Stehspiegels, der genau auf das Bett gerichtet war, hatte Frau von Eycke einen bezaubernden Wirrwarr von kosmetischen Utensilien angerichtet. In eine Ecke waren Reitstiefel geschleudert worden.
    Höllriegl nahm diese Details mit einem einzigen trunkenen Blick in sich auf, er war ein quicker und scharfer Beobachter. Er stand im Schlafgemach seiner Bernsteinhexe und schloß einige Herzschläge lang die Augen, ganz dem süßen Schwindel hingegeben, den die Strahlung ihres Fleisches hervorrief. Es war so, als läge sie schon in seinen Armen. Daß sie ein solches Durcheinander zurückgelassen hatte, konnte einen besonderen Grund haben. Oder hatte sie ihn und seinen Auftrag vergessen? War es ihr Temperament, war es Laune, Zügellosigkeit – Mißachtung seiner Person? Auch das würde zu Ullas „Stallburschenmanieren“ passen, wie die Leute es ausdrückten. Höllriegl aber dachte erschauernd an Amazonisches.
    Obzwar er sich bemühte, nicht hinzusehen, zog es ihn mit geheimer Macht zu dem Schlüpfer hin. Dieser war nicht mehr ganz sauber, doch gerade das machte ihn in Höllriegls Augen anziehend. Mit einer Erregung, der er nun nicht mehr Herr zu werden vermochte, ergriff Höllriegl das elastische Ding und vergrub sein Gesicht darin. Dem Gürtel entströmte der herbsäuerliche Geruch von Juchten, Haut und Schweiß. Er roch nach Frau. Höllriegl preßte ihn an seine Lippen, biß in das Gewebe und sog daran. Dann warf er ihn hastig zu Boden, denn er hörte kleine, schnelle Schritte sich nähern.
    Eine südländisch aussehende Zofe, jung und zierlich, tauchte auf, zeigte sich über Höllriegls Anwesenheit in perlender Weise entsetzt (ihr Kauderwelsch klang nach italienischer Muttersprache), rang angesichts des Chaos die Hände und schickte sich an, das Zimmer in oberflächliche Ordnung zu bringen.
    Höllriegl erklärte ihr in so einfachen Worten wie möglich den Zweck seines Hierseins – die Kleine verstand von dem Kribskrabs kein Wort, sondern kicherte bloß unaufhörlich – und bat energisch, allein gelassen zu werden. Worauf das Zöfchen mit anmutig-verdutztem Mienenspiel verschwand. Es bedurfte keines weiteren Beweises: Ullas Personal hatte von seinem Besuch keine Ahnung. Und der Lakai war vermutlich vom Schloßvogt, der Höllriegl den Auftrag telefonisch übermittelt hatte, unterrichtet worden. Frau von Eycke hatte ihn vergessen!
    Der Mantiker, nunmehr abgelenkt und ernüchtert und darum der erforderlichen Konzentration eher zugänglich, legte den Mantel ab und entnahm seiner Aktenmappe den Bernsteinkreisel. Ein paar Minuten würden vergehen, bis das Gerät sich eingeschwungen hatte. Am Ende des Haarfadens (es war rotgoldenes Frauenhaar) machte er eine Schlaufe und steckte den rechten Zeigefinger hindurch. Dabei nahm er eine lockere, aber aufrechte Haltung ein, die freie Hand legte er mit gespreizten Fingern aufs Kreuzbein. Am Kopfende der Couch stand in schwerem Silberrahmen ein Foto des vogelköpfigen Herrn von Eycke in Ostubaf-Uniform. Höllriegl hielt den Kreisel hoch über das Bild, und nach einer Weile begann der Bernstein zu schwingen, zunächst in winzigen Flügen, sodann stetig in größeren. Wie erwartet, schwang das Werkzeug alsbald in vollen linksgedrehten Kreisen, nur war anfangs das Pendelmonogramm nicht deutlich, sondern in seinen Linien

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