Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn das der Führer wüßte

Wenn das der Führer wüßte

Titel: Wenn das der Führer wüßte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otto Basil
Vom Netzwerk:
verwirrt, weil Schwingungen in verschiedener Anzahl und in verschiedener Richtung erfolgten, bis die reine Kreisgestalt erreicht war. Über den Bildnissen Erdas und Manfreds, die daneben auf dem Nachtkästchen standen, verhielt das Pendel sich ähnlich. Die Emanation des Kindlichen zwang jedoch das Gerät, zuletzt in schöne linksgedrehte Ellipsen einzuschwenken.
    Das Zimmer war erfüllt von Ullas enormer Strahlung. Je mehr die Pendlerei fortschritt, desto deutlicher wurde Höllriegl sich dessen bewußt, bis er fast betäubt war von den Kräften ihres großen und starken Geschlechts. Und mit einemmal überkam ihn wieder jenes Angstgefühl, das ihn immer erfaßte, wenn er mit Ullas Od in besonders enge Wunschverbindung trat. Das Gefühl einer drohenden Gefahr wurde in diesem Augenblick eins mit der grausigen Empfindung, die ihn heute in der Kapelle der Residenz überfallen hatte. Plötzlich war ihm wieder alles gegenwärtig. (Sonderbar, daß er nicht früher daran gedacht hatte.) Etwas Uraltes, Gefahrvolles, Schmutziges war ihm da nahegekommen, und das Bild des altertümlichen Kults, den er mit angesehen hatte, vermischte sich mit dem Bild einer herrischen Schönheit, welche Pferde zuschanden ritt und Männer in ekelerregender Weise erniedrigte.
    Höllriegl faßte die Schleife des Haarfadens fester, also zwischen Daumen und Zeigefinger, und näherte das Pendulum der Couch. Die Hauptschwingung zeigte schon nach Sekunden den gedrückten Kreis, die Ellipse – das Anzeichen des Weibtums. Nicht lange, denn schon fing das Pendel an, sich in Form einer Geraden zu bewegen – das Fell mochte daran schuld sein –, schwenkte hierauf in verschiedenen Richtungen gegen den Meridian ein und schwang schließlich klar in rechtsgedrehten Zirkeln. Der Nachweis für das Vorhandensein von Wasseradern, vielleicht von stehendem Wasser in den Erdtiefen unter dem Haus schien erbracht. Um sicherzugehen, wiederholte Höllriegl den Versuch linkshändig – mit gleichem Ergebnis. Nun wechselte er das Gerät, nahm das aus Nickel und Kupfer zusammengepolte leichte Kontrollpendel und setzte den Versuch fort. Das Instrument zeigte die Anfangsschwingungen viel deutlicher und wie in verwickelten Monogrammformen, ging aber bald zu eindeutig rechtsgedrehten Kreisen über. Nach kurzer Zeit ermüdete Höllriegls Sehvermögen, das neue Pendel bereitete ihm Kopfschmerzen. Er brach die Mutung ab. Die Couch mußte verschoben, in einen andern Raum, womöglich in einen andern Flügel gebracht werden. (Oder sollte man versuchsweise ein Entstörgerät einbauen?) Auch das Vorkommen ähnlich strahlender Stoffe unter dem Haus, etwa Kohle oder Erze, war nicht ausgeschlossen.
    Der Pendler ging bedächtig, andächtig sogar, durch Ullas Gemächer, es waren ihrer sechs, und tastete nach Erdstrahlen. Für ihn gab es keinen Zweifel mehr: dieser Teil des Schlosses lag im Bereich einer üblen Wasser-, vielleicht mineralischen Emanation. Mit ihr kämpfte das Od des herrschsüchtigen Weibes, denn von Ullas Wesen ging richtiges Hexenfluid aus, ein Zauberhauch, der nicht nur auf Mannsleute teuflische Wirkung ausübte, sondern sich auch den Kräften der Naturumgebung widersetzte. Die dabei entstehenden Ströme und Spannungen (welche Höllriegl schon verspürte, wenn er nur Abbildungen der Bernsteinhexe in den Zeitungen betrachtete) konnten sehr wohl Ullas hysterische Zustände verursachen. Vor Niederschrift des Gutachtens sollte jedenfalls die heutige Mutung noch mit einem besonders feinen Odometer überprüft werden – genauere Schlüsse waren da nötig.
    Eine Skizze mußte angefertigt, der Umzug in einen andern Trakt sorgfältig erwogen werden. Immer wieder wanderte Höllriegl durch die Zimmerflucht, blieb gesenkten Kopfes und mit halbgeschlossenen Augen stehen, um mit Hilfe der Pendel die Erdstrahlen auf sich wirken zu lassen. Dennoch geriet er immer mehr unter Ullas Einfluß. Ihre Widerstrahlen waren so dominant, daß Höllriegl, als er sich zum Skizzieren hinsetzte, von einer prickelnd wollüstigen Erregung durchflutet wurde, die jede Vernunftregung versiegen ließ. Hingabe! Hingabe! Mit fahriger Hand begann er zu zeichnen, lief zwischendurch verstört durch die Räume, kramte wie ein Dieb in Ullas Sachen, drückte – was ihm selber sofort albern vorkam – eine Hemdhose (eine von der warmen, winterlichen Sorte) leidenschaftlich ans pochende Herz, geriet beim Herumwandern auch an eine Tapetentür, deren gläsernen Knopf er drehte, worauf sie ihm den Weg in eine luxuriös

Weitere Kostenlose Bücher