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Wenn das der Führer wüßte

Wenn das der Führer wüßte

Titel: Wenn das der Führer wüßte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otto Basil
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es, daß der Schwingungsträger, also der Führer, ein Wesen von höchstem Weistum war, das bereits mit dem Jenseits in Verbindung stand. Das Kreuz- und das Malzeichen zusammen bedeuteten den Tod. Der Führer war vom Tode gezeichnet – riß er Ulla mit sich?
    Alles wurde Höllriegl jetzt erschreckend klar, er brauchte sich nur aus der Kombination herauszuhalten. Die Todesfigur betraf ausdrücklich den Führer, Ulla hatte dabei den Katalysator abgegeben. Über dem Führer stand das Zeichen des Todes – wann würde er in den ewigen Schatten treten? Er lag im Sterben oder war schon tot; doch selbst im Tode hatte er über das Leben Gewalt – das Leben, das in Höllriegls Experiment durch das Weibliche, durch Ulla, versinnbildlicht wurde. Ihr Sterne, stürzet herab!
    Wie vor den Kopf geschlagen, abwesend, von einer Kälte ergriffen, in der er nur die Kälte des Grabes erkennen konnte, brachte er das Bild wieder an seinen Platz. Er sprang von der Couch, das Blut pochte schwer in den schmerzenden Schläfen, sein Körper war schweißbedeckt, die Zähne klapperten vor nervöser Überspannung. Schritte, harte, männliche Schritte wurden hörbar und kamen näher. Draußen balgten sich Hunde, jaulten und bellten. Höllriegl lief zum Fenster, plötzlich hatte er wieder jenes Gefühl der Leere, der Automatik in den Beinen. Im Hof führten gerade zwei Knechte ein in Decken gehülltes Pferd in den Stall. Als er zurücktrat, sah er sich Frau von Eycke gegenüber.
    Sie schien erhitzt und ein wenig außer Atem. Den Reithut wirbelte sie irgendwohin und schüttelte das ungebärdige Haar aus der Stirn. Sie trat sofort vor den Spiegel, wobei sie dem Pendler einen Blick unbestimmbaren Ausdrucks aus ihren schrägen Augen zuwarf. Dieser stand da, das Gesicht von einer Blutwelle übergossen, die ihm augenblicklich die „Grabeskälte“ aus den Adern jagte.
    „Ooch, Hauptstellenleiter Dürriegl …“ sagte Ulla gedehnt, das „r“ fremdartig und wie spöttisch rollend, während sie ihr Spiegelbild musterte. „Heil Hitler!“ (Dies auf Höllriegl hackenknallenden Deutschen Gruß.) „Ich erinnere mich – Sie sind unser Pendler. Haben Sie was gefunden?“ Wieder dieser komische Unterton – oder wars nur Einbildung? Keine Spur von Verlegenheit wegen ihrer Vergeßlichkeit, wegen der Unordnung. Sie drehte sich abrupt um und streckte ihm die Hand entgegen.
    Höllriegl beugte sich darüber, um die dünnen Finger zu küssen. Doch mit einem Ruck entzog ihm Ulla die Hand, so daß seine Verbeugung wenig chevaleresk, eher bedientenmäßig ausfiel. Ein warmer Wohlgeruch kam auf ihn zu, hüllte ihn ein.
    „Gnädige Frau“, sagte er in seiner sonoren, charmanten, ost-märkischen Art, die ihm sogleich unendlich dumm und miserabel vorkam, „ich hatte den Auftrag … ich wurde gestern angerufen, um zwei hier zu sein. Verzeihen Sie, daß ich so … eingedrungen bin.“
    „Ooch, schon gut, Herr – – –“
    „Höllriegl.“
    „Richtich: Höllriegl.“ Unbekümmert streifte sie die Jacke ab. Unter der nach Herrenart geschnittenen, oben weit offenen Hemdbluse wölbten sich, elastisch schaukelnd, die Brüste. Das Hemd zeigte unter den Achseln nasse Flecke.
    Etwas Fürchterliches, Nichtwiedergutzumachendes geschah jetzt. Höllriegl war mit einem erstickten Schrei, in dem sich ein ganzer Satz, ein Geständnis Luft zu machen versuchte, vor Frau von Eycke niedergestürzt. Mit aller Kraft zog er die jäh Erstarrte an sich, umarmte, betastete dreist ihren Unterleib (nie würde er die pralle Fülle des Gesäßes vergessen!), küßte den unter der hautengen Reithose sich vorwölbenden Venushügel und verbiß sich stöhnend in das, was Gewebe und zugleich Fleisch war, in etwas Blutwarmes, Weiches, Quellendes, scharf nach Pferd und Lederzeug Riechendes.
    Im selben Augenblick spürte Höllriegl, dem Ulla sich entwunden hatte, einen brennenden Schmerz über Stirn und Wange laufen. Die Bernsteinhexe hatte zugeschlagen, stumm, vehement, gezielt, die Reitpeitsche war dabei ihrer Hand entglitten. Als Höllriegl sich erheben wollte, traf ihn der zweite Schlag, diesmal mit dem Stiel, das rechte Auge war gestreift worden. Wie von Sinnen taumelte der Geprügelte, Halbgeblendete aus dem Zimmer, keuchend tastete er sich durch endlos scheinende Gänge und über Stiegen – er hätte später nicht zu sagen gewußt, wie er aus dem Labyrinth entwichen und zu seinem Wagen gelangt war, oder ob jemand den schmachvollen Rückzug gesehen hatte. Die Tränen kamen ihm, als er den

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