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Wenn das der Führer wüßte

Wenn das der Führer wüßte

Titel: Wenn das der Führer wüßte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otto Basil
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geöffnet. Endgültig. Anselma war im Recht gewesen – es gab nichts. Es gab nichts, was irgendwie wert wäre. Der Führer war tot, und damit hatte seine, Höllriegls, Welt jedweden Sinn verloren. Das Leben hatte keinen Sinn und der Tod erst recht keinen. Nichts war sinnvoll, alles war abzuwerten – bis hinunter zum absoluten Nullpunkt. Sein Beruf, dieser Hokuspokus-Beruf, die Existenz der Erdstrahlen, an die man „glauben“ mußte, die Partei, die – das sah er erst jetzt klar und scharf – nichts als ein ungeheurer Sauhaufen war, all das war abzuwerten. Auch dieser Krieg, leichtsinnig und verbrecherisch begonnen (wie recht hatte Senkpiehl gehabt!), war abzuwerten – vom ersten Moment an war das heller Wahnsinn gewesen. Es gab nur den einen völlig sinnlosen, animalischen, aussichtslosen Kampf aller gegen alle, das konnte man mit Händen greifen. Ein Krieg, den das Leben gegen sich selber führte! Bis aufs Messer, nein, mit zwei Messern, wie jener Untermensch, der ihn überfallen hatte. Und der Heldentod? Das war nicht mehr, als abgestochen zu werden wie Manfred. Oder wie jene Karpfenleiber, die noch zerschnitten in die Höhe hüpften … Kämpfen, mit dem Rücken gegen die Wand! Und krepieren! Das hatte Anselma wohl gemeint.
    Und die Überwelt, sein Glaube an ein göttliches Heiltum, das auf Erden in der Person des Führers verkörpert war? Alles Schwindel! Die Finger krampften sich ihm vor Scham zusammen, wenn er an den Schwachsinn dachte, den er damals verzapft hatte – damals, es war ja erst vor wenigen Tagen! Wie mußte Anselma ihn bedauert haben!
    Und Axel? Und Ulla? Axel war ein schöner Idiot, nicht mehr und nicht weniger – und nur deshalb rein und gut, weil er ein Idiot war. Und Ulla war ein kleines, schmutziges Weibchen wie seine Ingrid, die zu den Damen frisieren ging. Vielleicht hätte ihn Ullas Besitz einst, in grauer Vorzeit, zum Stolzesten der Sterblichen gemacht – damals, als er noch an Heldentum, Walküren und ähnliche Trotteleien glaubte. Sie benahm sich – dabei – in keiner Weise anders als die Mädchen, die er gehabt hatte. Nur ein schwacher Schauder, eine Erinnerung von einst waren übriggeblieben. Oh, wenn er von ihr wieder gezüchtigt würde!
    Er betastete sie, die uferlos schlief, griff ihren Körper ab. Gier und Ekel, Ekel und Gier. Ein einziges Kotbrechen war dieses Leben.
    Über ihrem Körper schlief er ein. In seinen Träumen tickten die Geigerzähler.
     

 
Unternehmen Bifröst
     
    Never a law of God or man
    Runs north of Fifty-three.
    Rudyard Kipling

 
     
     
     
    Es war Mittag, die Sonne stand etwas unter dem Horizont. Der Mann, der jetzt Jugurtha hieß, kam aus der Kantine.
    Er fror jämmerlich, fror ständig. Sogar im überheizten Eßsaal, wo einem die Augen wie im Fieber glasig wurden, hatte ihn gefröstelt. Eine Nervensache, gewiß. Ihm war einfach elend zumute, sogar hundeelend, und er wollte in der frischen Luft ein wenig laufen, um die Kopfschmerzen loszuwerden, auch um allein zu sein. Er hatte sich weggestohlen, obzwar niemand die leiseste Notiz von ihm nahm. Trotzdem argwöhnte er, daß man sich mit ihm beschäftigte. Nicht feindselig, o nein – kalt, unbeteiligt, wie mit einer Sache.
    Aber das war wohl nur eine Ausgeburt seiner kaputten Nerven. Er stampfte beim Gehen fest mit den Stiefeln auf, um ein Geräusch zu machen, diese Insel war so still. Das breiige Eis spritzte unter seinen Füßen, und der Atem ging qualmig. Man duldete ihn hier, das wars. Wie lange? Im Vorüberschlendern gab er einer leeren Tonne einen Tritt, so daß es blechern schepperte. Windstille, Totenstille, nur über der Bucht da drüben das heisere Gezänk der Möwen. Die See war grau und spiegelglatt, ein düsterer Pfuhl.
    Hier konnte man krank werden, wenn mans nicht schon war. Nicht Tag und nicht Nacht, das Wasser schillerte melancholisch – es schien überhaupt nicht Wasser zu sein, sondern Schmieröl oder irgendein Rückstand. Alle Dinge waren so sonderbar in die Ferne gerückt, auch wenn man ganz nah an ihnen vorbeikam, die drei Tanks, die Stapel alter Treibstofftonnen, das Generatorenhaus, die pelzvermummten Wachen, baumlange Kerle, die jäh im Nebel vor einem auftauchten, schließlich der Drahtverhau mit dem Starkstromgitter. Mehr gab es nicht. Im Süden schimmerte der Horizont schwach wie weißes Gold, und der niedrige Hügel, hinter dem der Fliegerhorst lag, glänzte dort schuppig. Das Turmskelett mit den Radargeräten war kaum zu erkennen.
    Innerhalb der Einzäunung

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