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Wenn das der Führer wüßte

Wenn das der Führer wüßte

Titel: Wenn das der Führer wüßte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otto Basil
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eher galt es, die eigene Haut zu retten, die Haut des Herrn von Eycke und Siggas Haut. Also kostbare Häute!
    Siggas Geisteszustand hatte sich sprunghaft gebessert, von den Erinnerungslücken abgesehen. In dem Maße, wie sie körperlich verfiel (was nur er bemerkte), flackerte ihr Geist auf, in manchem war sie wieder die herrische, kaltschnäuzige Ulla von ehedem. Als sie zum zweitenmal in seine Baracke gekommen war, hatte sie ihm nach einem flüchtigen, nicht zu Ende genossenen Liebesspiel zugeraunt, er möge sich vorsehen, ihr Mann sei zu allem fähig. Hier lösten sich Menschen in Nichts auf – und solchen Nichtsen wurde nicht weiter nachgeforscht, man hatte keine Zeit dazu, auch war man froh, Personen streichen zu können. Zu viele Atomflüchtlinge warteten in den Lagern.
    „Du meinst, ich soll deinen Mann –“
    „Jugurtha darf nichts. Sigga wird es tun.“
    „Womit? Hast du eine Waffe?“
    „Ich habe einen Laser … Meduso Sechs.“
    „Was!? Wo hast du den her?“
    Sie lachte dreckig. „Von … Knud … dem Scharführer Knud. Als Pfand, als Spielzeug. Er durfte dafür hierher greifen.“ Sie nahm seine Hand und zeigte es.
    Tolles Weib. Einen Meduso Sechs – Rubinlaser! Er mußte versuchen, ihr die Waffe herauszulocken.
    „Nein. Misch dich nicht in solche Sachen. Das müssen wir Männer untereinander ausmachen.“
    „Dummer Aujust. Ich habe mit Erik eine ganz persönliche Rechnung. Er warf mir Schildminderung vor. Er mir! Das wird ihm teuer zu stehen kommen. Misch du dich nicht in unsre Angelegenheiten.“
    Schildminderung. Eycke hatte Sigga ihre Vergangenheit vorgeworfen, ihre minderwertige Herkunft – wahrscheinlich im Zusammenhang mit ihm, Höllriegl, der ja auch niederer Herkunft war. Sie beide waren Bastarde und gehörten zusammen. Aber nach den Ehrbegriffen der Edelinge konnte dieser Tort nur mit Blut abgewaschen werden. Sehr unvorsichtig von Eycke, Sigga dermaßen zu verletzen. Sie war wieder die alte Ulla … und würde dementsprechend handeln.
    Nochmals nein! Er mußte ihr zuvorkommen, es war nicht mannhaft, das unaufschiebbare Geschäft einem Weib zu überlassen. Seit er die Kantine verlassen hatte, dachte er daran, wie man es machen könne. Ritterlich? Zweimaliger Kugelwechsel – wie einst im Mai? Dieser Eycke war ein gefährlicher Bursche und sicher der viel bessere Schütze. Dann bei dieser Dunkelheit! Da konnte einen leicht auch von unerwarteter Seite eine Kugel treffen. Oder losen, auf amerikanisch abtreten? Er wollte aber nicht abtreten, nicht so, der andere sollte abtreten. Allerdings … vielleicht wars besser, durch eine Kugel zu sterben, als an den Strahlen zu verrecken, der Strohtod war etwas Schimpfliches.
    Da gab es noch diese eine schwache, phantastische Hoffnung. Ein Silberstreifen am Horizont, wie dort die Sonne, die nie heraufkam. Schon vor Monaten hatten Senkpiehl und Kummernuß davon geredet. Eine Art Geheim- und Wunderkur, angeblich methodisch durchgeprobt, die die Nachwirkungen des radioaktiven Niederschlags aufhob oder zumindest bremste. In den UmL-Labors waren nach vielen Fehlschlägen Anfangserfolge erzielt worden, so sagte man. Es sollte sogar echte Genesene geben. Ein Triumph deutschen Forschergeistes.
    Ob es gelogen war? Jedenfalls hatte einmal auch Eycke darauf angespielt. Gleich nach der ersten Landung – in Aalborg? – sprach Höllriegl zu dem eisig und verbiestert Zuhörenden offen über die tödliche Gefahr, in der Ulla schwebte. Stundenlang war sie der stärksten Strahlung ausgesetzt gewesen – was sollte geschehen? (Über seine eigene Verseuchung schwieg er.) Da tat Herr von Eycke plötzlich den Mund auf und machte eine denkwürdige Bemerkung: „Drüben bringen wir sie durch … wenn erst einmal Bifröst hinter uns ist …“ Dieser Satz schien ihm herausgerutscht zu sein, nach der wütenden Grimasse zu schließen. Gut. Und auch Sigga hatte berichtet, daß man „in Niflheim“ geheilt werde, sie habe es von einem Generalstabsarzt, der mit ihnen in der Kantine esse. Sigga wußte anscheinend mehr über ihren Zustand, als man annahm.
    Jugurtha schlenderte wieder an den leeren Tonnen vorbei. Er oder ich – dieser Gedanke beherrschte ihn. Nicht, daß er Herrn von Eycke auf den Tod gehaßt hätte, dazu bestand wahrlich kein Grund, er konnte ihn bloß nicht schmecken. Der würde sich übrigens nicht die geringsten Skrupel machen, ihn wie einen Hasen abzuschießen. – Wo und wie sollte es geschehen? Wenn Eycke von der Kantine nach Haus ging? Die Eyckes

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