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Wenn das der Führer wüßte

Wenn das der Führer wüßte

Titel: Wenn das der Führer wüßte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otto Basil
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spät. War er in eine Verschwörung geraten? Es sah so aus. Am besten, er ließ den Vorsitzenden reden und sagte selber nichts.
    Die vier Herren sahen Höllriegl um vieles weniger freundlich an als der Redner. Ihre Gesichter waren nach wie vor undurchdringlich, steinern – ironisch-steinern. Auch sie hatten den gewissen „klinischen“ Blick, kalt, objektiv, abschätzend und abschätzig. Er war eine Sache, eine Nummer, ein Fall für sie.
    Höllriegl haßte das – auch schienen sie beharrlich auf sein blaues, jetzt braunes Auge und die Schramme zu starren. Er kam sich wie der Prüfling im anatomischen Hörsaal vor.
    Der „Hörsaal“ war hoch und hatte mehr ein kapellenartiges Aussehen. An der Mittelwand über den Büchern hing unter Glas und Rahmen – nicht der Führer! Es war das Bildnis eines weißbärtigen Herrn mit gesenktem Kopf und vergrübeltem Gesicht, seine Haltung drückte tiefe Nachdenklichkeit aus. Unterhalb der Decke lief eine durch Feuchtflecken unterbrochene, schlecht leserliche Inschrift um die Mauern. Erstaunt buchstabierte Höllriegl die Worte: Co ito ergo sum. Und darunter: Flectere s equeo su eros Acheronta movebo. Höllriegl war immer recht gut in Latein gewesen, hatte jedoch viel vergessen. Er las mehrmals, fand die fehlenden Buchstaben nicht, und so blieb ihm schon deshalb der Sinn der Worte verschlossen.
    „Ich sehe, Sie lesen die Schrift und sind verwundert, mein Freund“, sagte der Vorsitzende in der ihm eigenen gönnerhaften und zugleich untersuchenden Art, dabei drehte er kokett an seinen Löckchen. „Hm – Couchsituation – infantil – hm. Das Milieu ist neu für Sie, muß neu für Sie sein. Aber vielleicht wird sich Gundlfinger Ihrer noch öfter als Boten in die Unterwelt bedienen. Daß wir Psychoanalytiker sind, wissen Sie. Die letzten, oder wenn Sie wollen: die ersten – wieder die ersten. Die Letzten werden die Ersten sein. Wir sind Psychoanalytiker, die sich aus bekannten Gründen verborgen halten, aber doch mit der Wissenschaft ober Tage, mit Gelehrten aller Länder und Sparten in engem und zumeist erfreulichem Kontakt stehen. Daß wir unterirdisch leben – leben müssen –, hat sogar eine reale symbolische Bedeutung: unsere Wissenschaft, von der die heutige Jugend nichts mehr weiß, weil sie nichts davon wissen darf, hat mit Unterirdischem, wenn auch – hehe – keineswegs Unirdischem zu tun, mit den verborgenen, unsichtbaren, jedoch stets nachweisbaren Mächten in der Seele des Menschen …“
    Höllriegl erstarrte zu Eis. Das war ja die Widerwärtigkeit selbst! Er erinnerte sich blitzschnell: Als der Führer in Linz eingezogen war, damals, im März 38, um die Ostmark heimzuholen, hatte es in den Straßen und auf den Plätzen Freudenfeuer gegeben. Es waren Freudenfeuer, die bald zu Scheiterhaufen wurden. Eine Wiederholung jenes historischen 10. Mai 1933 vor der Berliner Universität. Die illegale Studenten-SA Oberdonau warf die Bücher von Juden, Freimaurern und Systemlingen in die Flammen; auch er hatte mitgeholfen, die Buchhandlungen auszuräumen. Da waren doch die Werke eines gewissen Freud dabeigewesen! Wie hatte der Feuerspruch der SA gelautet? „Gegen die Schweinereien des Juden Sigmund Freud! Für den Adel der deutschen Seele!“ Er wußte es noch haargenau, wie er auch noch alle anderen Sprüche wußte. Und das „Schwarze Korps“ hatte damals die „Psychosyphilitiker“ angeprangert und die „Pischiater“ lächerlich gemacht. Als er später bei der SS im Heileinsatz war, um sich auf seinen jetzigen Beruf vorzubereiten, hatte er immer wieder von der beispiellosen Schamlosigkeit dieser zersetzenden jüdischen Lehre gehört. Als Gyromant mußte er auch die offizielle „Deutsche Seelenkunde“ – wie würde Schwerdtfeger sagen? – „intus“ haben. Die hatte er. Diese „Deutsche Seelenkunde“, zweibändig, Verfasser: Bruno Marbod Wammse, Ordinarius für Seelische Tiefenlotung und Betriebssittlichkeit an der Technischen Hochschule zu Hannover, widmete den Obszönitäten Freuds bloß zwei Sätze (Höllriegl hatte sie seinerzeit auswendig gelernt); sie lauteten: „Wie ein giftiger Pilz wucherte zur Zeit der tiefsten Schmach des deutschen Volkes die Irrlehre des Wiener Juden Sigi Freud. Mit anderem Unrat und Unflat mistete der Führer auch diesen Saustall aus, als er die Macht übernahm, sehr zum Leidwesen der Jiedlach in aller Welt, die darob ein Waihgeschrei erhoben.“
    Das hier war also eine richtige Teufelsverschwörung, kein Zweifel. Und er in der

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