Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn das der Führer wüßte

Wenn das der Führer wüßte

Titel: Wenn das der Führer wüßte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otto Basil
Vom Netzwerk:
Plänen die betreffende Ringfertigung arbeitete. Nachdem der Führer den Sieg errungen hatte, wurden die meisten Stollenbetriebe als unzeitgemäß aufgelassen, gesprengt, teils auch in Werksschulen oder Museen verwandelt, einige wenige dienten noch eine Zeitlang als UmL. Wahrscheinlich war dabei manches Werk vergessen worden.
    Der Tunnel öffnete sich in ein niedriges, domartiges Gewölbe, von dem mehrere Stollen ausgingen. Hier mußten sie wieder über Schmalspurgeleise, Wechsel und Drehscheiben, und ein Zug, aus einem Dutzend Wägelchen bestehend, stand hier, wohl seit Jahren, für etwaige Hadesgäste bereit.
    Aus einem der Zugehstollen trat ein Mann, der sichtlich gewartet hatte. Er war wie ein Mechaniker gekleidet, trug eine gefütterte Lederjacke und Pelzmütze. Höllriegl, seinen Gedanken nachhängend, merkte erst jetzt, wie kalt es war, und daß ihn richtig fror. Der Mann begrüßte die Stumme freundlich und nahm ihr die Binkel ab. Dann händigte er ihr einen Zettel und Geld ein. „Dank dir, Paule“, sagte er, „und komm morgen wieder.“ Zugleich machte er ihr ein Zeichen in der Taubstummensprache und schnitt lustige Gesichter. Das Mädchen grinste, stieß ein paar fröhliche Schreie aus und nahm übermütig die Röcke hoch. „Bei dir blitzts ja!“ rief der Mann in seiner kehligen Mundart, aber da war die Stumme schon im Dunkel verschwunden.
    „Sie kommen wohl von Professor Gundlfinger?“ fragte der Mechaniker; die Frage schien keine Antwort zu erheischen. Er schulterte die Lasten. „Man erwartet Sie, die Herren sind versammelt. Und die Sache ist zum Abholen fertig.“ Seine Aussprache des Deutschen war für einen Arbeiter rein.
    Nun machte der Mechaniker den Führer. Wieder gingen sie durch einen langen Stollen, der nicht ausgemauert war, durchquerten eine bis auf wenige Maschinen leere Werkshalle, auch sie eine Katakombe, und tauchten in einem Tunnel unter, der diesmal schräg nach oben führte. Ein Labyrinth! Manchmal stellte der Mann das Gepäck hin und fingerte langwierig an einem Draht oder Leitseil herum, indem er eine Art Reißschiene daran hielt, einmal kürzer, einmal länger. Elektrische Signale? Da der Weg steil wurde, half Höllriegl beim Tragen.
    Als sie oben waren, sah sich Höllriegl in einem wohlig durchwärmten, spitzbogigen Gemach mit bis zur Türhöhe reichenden Bücherborden. Im Zwielicht, die Beleuchtung war nicht sichtbar, saßen fünf Männer an einem langen, mit Büchern und Papieren über und über bedeckten Tisch. In ihrer Mitte thronte auf einem erhöhten Sessel mit Armlehnen, die andern um Haupteslänge überragend, ein älterer Mann mit Gelehrtenkopf, zu beiden Seiten hatte er je zwei Herren sitzen. Die Versammlung funkelte Höllriegl aus bebrillten Gesichtern an.
    „Das ist Gundlfingers Bote – ein neuer“, sagte der Mechaniker und machte kehrt, die Bündel nachschleppend.
    Der Vorsitzende, denn das schien er zu sein, blickte Höllriegl mit gütigem Lächeln an. Er hatte eine spiegelnde Glatze, und der weiße Haarkranz war zu Löckchen aufgekämmt. Seine Gesichtshaut und die Hände hatten die weißliche Farbe von Grottenolmen, auch seine Kollegen waren fahle Gesellen. Er wirkte müde, verschlafen, greisenhaft, von seinem Wesen ging schlaffe Väterlichkeit aus. Höllriegl hatte den Eindruck, einen verhörenden Klinikchef oder Ordinarius vor sich zu haben, und er selbst sei entweder der Patient oder ein Prüfling.
    „So – so, Sie sind einer von Gundlfingers Leuten – das legitimiert Sie hinlänglich“, sagte der Mann bedächtig. Er schien Höllriegl von Haus aus wohlgesinnt zu sein. „Ihre Uniform ist eine gute Tarnung. Sonst schickte er uns immer einen jungen Menschen, einen ganz rei-zen-den jungen Mann. Die Arbeit, die Gundlfinger von uns wollte, ist fertig. Es war nicht immer leicht, den Gedankengängen unseres Freundes und Gönners zu folgen. Wir haben uns bemüht, dem Kommentar den Charakter eines fakultativen Gutachtens zu geben. Wissen Sie, um was es geht?“
    Höllriegl, der nichts wußte – es war wie bei einem Examen – und auch nicht wußte, wie ihm geschah, er war in diese Bredullje gekommen wie der Pontius ins Credo, riß sich zusammen. „Nein – der Herr Professor hat mich nicht eingeweiht, noch nicht. Ich bin neu im Dienst. Vielleicht tut ers noch …“
    Das war kühn. War es auch gescheit? Hier gab es überall Fallstricke. Sollte er nicht Farbe bekennen, die Wahrheit sagen, das Ganze als Mißverständnis hinstellen? Dazu wars aber nun zu

Weitere Kostenlose Bücher