Wenn das Glück dich erwählt
mit dem Gedanken anzufreunden, dass sie bald John Keatings Frau sein würde, während sie darauf wartete, dass es hell im Blockhaus wurde. Es war der Duft von Scullys Kaffee, der vom Herd zu ihr herüberdrang, der sie schließlich aus den warmen Decken lockte. Hastig und von einem Fuß auf den anderen tretend, weil der Boden so eiskalt war, streifte sie ihr Nachthemd ab und eins ihrer schlichten, praktischen Kattunkleider über, bevor sie sich setzte, um Strümpfe und Schuhe anzuziehen. Dann, nachdem sie beide Feuer geschürt hatte, schenkte sie sich eine Tasse Kaffee ein und schnitt Weißbrot auf, um es auf der Herdplatte zu rösten.
Dann öffnete sie alle Fensterläden, um das Tageslicht hereinzulassen. In der Nacht zuvor hatte sie mit Schnee gerechnet, aber der Tag war hell und klar, obwohl der Sonnenschein ein bisschen spröde wirkte in dieser Eiseskälte.
Irgendwann erwachte Abigail und zog sich an, und kaum war das geschehen, fragte sie nach Scully. Evangeline hatte eigentlich vorgehabt, es ihr schonend beizubringen, aber ihre Tochter gestattete ihr diesen Luxus nicht.
»Er musste den Schlitten und die Maultiere nach Springwater zurückbringen. Und natürlich auch sein Pferd heimbringen.«
Abigail schien eine Weile ernsthaft über die Angelegenheit nachzudenken. »Wer wird uns in der Zwischenzeit beschützen?«, erkundigte sie sich schließlich argwöhnisch.
Evangeline hatte am Feuer gesessen und den Rest ihres Kaffees getrunken. Jetzt stellte sie die Tasse ab, winkte Abigail zu sich und nahm das kleine Mädchen auf den Schoß. »Wir werden uns gegenseitig beschützen«, wisperte sie. »Ich glaube, das müssten wir doch schaffen, nicht?«
»Wir sind immerhin allein den ganzen weiten Weg von Pennsylvania gekommen«, erwiderte Abigail nachdenklich und runzelte die dunklen Brauen.
»Ja, das sind wir allerdings«, erwiderte Evangeline.
»Ist Scully heute Abend wieder da?« Die Frage war so gestellt, dass sie belanglos klang, aber ein Blick auf Abigails Gesicht genügte, um zu erkennen, wie wichtig ihr die Antwort war.
Evangeline schüttelte den Kopf. »Ich rechne frühestens morgen Abend mit ihm. Es ist ein weiter Weg nach Springwater, das müsstest du doch eigentlich noch wissen.«
»Ich glaube nicht, dass ich so lange warten kann, wenn ich auf die Toilette muss«, antwortete Abigail. Evangeline unterdrückte ein Lächeln. »Dazu haben wir den Nachttopf«, erwiderte sie. Abigail rümpfte ihre Nase.
Wenig später zogen sie ihre warmen Umhänge an, und Evangeline nahm das Gewehr von dem Gestell über der Tür. Nach einem gemurmelten Gebet, dass draußen keine Wölfe oder andere Raubtiere lauern mögen, führte sie ihre Tochter in die kalte Morgenluft hinaus. Sie hätten irgendwann ohnehin nicht mehr vermeiden können, hinauszugehen; die Tiere mussten vor dem Abend gefüttert und die Kuh gemolken werden, und sie musste auch die Eier einsammeln.
Sie benutzten das Klosett, das auch nicht viel annehmbarer als der Nachttopf war, und kehrten dann ohne Zwischenfall zum Haus zurück. Diese Leistung, so unbedeutend sie auch sein mochte, gab Evangeline das Gefühl, den ersten wichtigen Schritt auf einem langen, anstrengenden Weg geschafft zu haben.
Nachdem sie gefrühstückt hatten, gab Evangeline ihrer Tochter eine Lektion, mit der sie sich beschäftigen sollte - sie lernte gerade ein langes Gedicht auswendig -, und begann Staub zu wischen und zu fegen. Durch ihre Exkursion zum Klosetthäuschen ermutigt, brachte Evangeline die Bettdecken hinaus und hängte sie zum Auslüften über einen Zaun. Dann fegte sie das ganze Haus aus, einschließlich des Anbaus, und klopfte den schmalen Teppich aus, der vor dem Bett im großen Zimmer lag.
Sie hängte ihre und Abigails Kleider an Nägel, die jemand in die Wand geschlagen hatte, und benutzte die große Reisetruhe, um ihre anderen Sachen aufzubewahren, da es keinen Schrank im Haus gab. Schließlich holte sie noch Brennholz von dem Stapel, den Scully gleich neben der Vordertür aufgeschichtet hatte. Gegen Mittag erlaubte sie sich endlich den Gedanken, wie es Scully gehen mochte und ob er wohl Schwierigkeiten auf dem Weg zur Postkutschenstation begegnet war. Sie sprach ein stummes Gebet für seine sichere Heimkehr und war sich dabei durchaus bewusst, dass ihre Gründe dafür größtenteils sehr eigennützig waren. Aber ein Gebet, sagte sie sich zu ihrer eigenen Verteidigung, ist ein Gebet.
Entschlossen nahm sie Big Johns Fotografie heraus und stellte sie so auf den
Weitere Kostenlose Bücher