Wenn das Glück dich erwählt
Kaminsims, dass sie von allen Seiten gut zu sehen war.
Am späten Nachmittag zogen Evangeline und Abigail wieder warme Sachen über, um zur Scheune hinauszugehen und die Tiere zu versorgen. Abigail trug den Eimer für die Milch und ein Körbchen für die Eier, während Evangeline schussbereit das Gewehr in ihren Händen hielt. Als sie sah, dass die Schatten draußen immer länger wurden, verflüchtigte sich ihr anfänglicher Mut ein wenig, aber Abigail zuliebe setzte sie ein Lächeln auf.
Die vertrauten Gerüche der Scheune vermittelten ihr jedoch ein wenig Trost, weil sie überall gleich und so wunderbar alltäglich waren; sie sah die Stute, die Abigail »Sugarplum« getauft hatte, und die Kuh, die den wenig originellen Namen »Bessie« trug. Es standen auch noch andere Pferde in der Scheune, ein großer schwarz-weiß gefleckter Pinto-Wallach, der wahrscheinlich Big John gehörte, und eine kräftige kleine Fuchsstute.
Evangeline überprüfte die Wassertröge, die noch voll waren, weil Scully die Tiere frühmorgens schon versorgt hatte, und verteilte Heu und Hafer. Während Abigail versuchte, eine Katze hinter einem Stapel Kisten hervorzulocken, molk Evangeline die Kuh.
Die Beschäftigung beruhigte sie, wie sie es immer tat. Sie hatten mehr als genug Milch und Sahne, aber natürlich musste Bessie so oder so von ihrer Last erleichtert werden. Später mache ich aus der überschüssigen Milch ein bisschen Käse, nahm Evangeline sich vor. Das würde eine wundervolle Bereicherung ihrer etwas öden Winterdiät sein. Sobald der Boden auftaute, würde sie auch ein Stück Erde umgraben und einen Gemüsegarten anlegen. Später, wenn der Sommer wieder seinem Ende zuging, würden die Bäume auf dem Hügel h inter dem Haus - es waren Pfir sich-, Birnen-und Apfelbäume, hatte Scully ihr gesagt - bestimmt schon einige Früchte tragen, selbst wenn sie noch sehr jung waren. Sie hatte vor, Pfirsiche und Birnen einzumachen, Marmeladen und Gelees zu kochen und einige der Äpfel zu trocknen, um später, wenn es kein frisches Obst mehr gab, Kuchen daraus zu backen.
Sie war in Gedanken noch immer bei diesen nutzbringenden Plänen, als sich plötzlich die Härchen in ihrem Nacken aufstellten und jeder Muskel sich in ihr versteifte. Sie war nicht sicher, ob sie ein Geräusch gehört hatte oder ob irgendein bis dahin unbekannter Instinkt sie warnte, aber sie wusste, dass irgendetwas nicht in Ordnung war.
Sie hörte auf zu melken, griff langsam nach dem Gewehr, das an einem nahen Pfosten lehnte, und wandte sich zur Scheunentür um. Abigail, die das Kätzchen schließlich hinter den Kisten hervorgelockt hatte, stand wie erstarrt.
»Mama«, sagte sie, und es war kaum mehr als ein Hauch.
Fassungslos starrte Evangeline den Indianer an, der vor dem Hintergrund der zunehmenden Abenddämmerung in der offenen Scheunentür stand. Er trug Hirschlederkleidung und ein Messer in seinem Gürtel, und aus seinem langen schwarzen Haar, das er zu einem Zopf geflochten hatte, ragten struppige braune Federn auf. Sein Gesicht war hager, und ein unnatürliches Glitzern stand in seinen dunklen Augen, die sie misstrauisch betrachteten.
»Frau«, sagte er. Es klang fast wie eine Bitte, so wie er es sagte, aber das war ihr kein Trost. Er war ein Indianer, und sie war ganz allein auf sich gestellt, um sich und ihre Tochter zu beschützen.
Evangelines Herz begann so wild zu pochen, dass es in ihren eigenen Ohren dröhnte. Sie hielt das Gewehr so fest in ihren Händen, wie es ihr möglich war. »Was wollen Sie?«, fragte sie.
»Frau«, wiederholte er und machte eine Handbewegung, die sie nicht zu deuten wusste. Das Kätzchen sprang aus Abigails Armen, lief über den strohbedeckten Boden der Scheune zu dem Indianer und berührte mit seiner winzigen Pfote einen seiner Füße. Der Mann sah aus, als litte er große Schmerzen. Schließlich legte er eine Hand an seinen Bauch und begann einen großen Kreis darauf zu beschreiben.
»Er wird uns nichts tun, Mama«, sagte Abigail. »Siehst du? Das Kätzchen mag ihn.«
Das Kätzchen mag ihn. Evangeline hätte gelächelt über die naive Logik ihrer Tochter, wenn die Lage nicht so ernst gewesen wäre. Sie ließ das Gewehr nicht sinken. »Sei still, Abigail«, befahl sie ihrer Tochter ruhig.
Der Indianer krümmte die Finger und führte sie zum Mund.
»Er versucht uns nur zu sagen, dass seine Familie Essen braucht«, beharrte Abigail.
»Das weiß ich«, erwiderte Evangeline. Aber es entsprach nicht ganz der Wahrheit. Bis
Weitere Kostenlose Bücher