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Wenn das Glück dich erwählt

Wenn das Glück dich erwählt

Titel: Wenn das Glück dich erwählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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und einen Mann zu heiraten, dem sie noch nie begegnet ist. Ich kenne nicht viele Menschen, die diese Art von Mut besitzen.«
    Evangeline senkte den Blick und hoffte, damit die Hitze zu verbergen, die in ihre Wangen stieg. Dann, als sie sich wieder gefasst hatte, schaute sie auf und erwiderte ruhig seinen Blick. »Es war nicht Mut, was mich hierher gebracht hat, Scully. Ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte.«
    »Das kann ich mir nicht vorstellen«, antwortete er. »Sie sind eine gut aussehende Frau. Es muss doch jemanden gegeben haben, der Sie gern geheiratet hätte.«
    Sie dachte an Mott, an seine großen, schmutzigen Hände, seine lüsternen Augen und seinen boshaften Charakter. »Es gab einen«, gestand sie leise.
    »Und dieser Mann war so schlecht, dass Sie lieber zweitausend Meilen weit gereist sind, um sich an einen Fremden zu binden? Dann muss er ja ein richtig übler Kerl sein.«
    Mott war ein alter Griesgram, obwohl er erst Anfang dreißig war und in der Blüte seines Lebens hätte stehen sollen. Er erinnerte Evangeline an den essiggetränkten Schwamm, den die Römer Jesus am Kreuz gereicht hatten. »Irgendetwas muss ihn sehr verbittert haben«, antwortete sie. »Aber ich weiß nicht, was.«
    Scully akzeptierte das und erhob sich, um seine Jacke und sein Gewehr zu holen. Der Revolver, den er nachmittags getragen hatte, lag griffbereit auf dem Regal neben den Kleiderhaken, aber er ließ ihn liegen, wo er war. »Ich werde noch eine letzte Runde machen«, sagte er. »Falls Sie ...« er hielt inne und errötete. »Falls Sie das Klosett aufsuchen wollen, könnte ich Sie dorthin begleiten.«
    Evangeline schüttelte den Kopf. Sie hasste es, den Nachttopf zu benutzen, den Scully am frühen Nachmittag draußen im Freien ausgeleert hatte, aber sie verspürte kein Verlangen, in die Dunkelheit und Kälte hinauszugehen, wo so viele Gefahren lauerten.
    »Ich muss mal«, verkündete Abigail verschlafen, während sie sich aufsetzte und sich die Augen rieb.
    Scully räusperte sich und wartete, wobei er sehr darauf bedacht war, weder Abigail noch ihre Mutter anzusehen.
    »Also gut«, sagte Evangeline seufzend. Nachdem sie ihren Umhang umgelegt hatte, wickelte sie Abigail in eine Daunendecke und folgte Scully in die stille, dunkle Nacht hinaus. Es lag eine klirrende Kälte in der Luft, die noch mehr Schnee ankündigte, obwohl der Himmel sternenklar war.
    Scully wartete höflich, während seine Schützlinge ihre Bedürfnisse erledigten, und begleitete sie dann schweigend wieder zum Haus zurück. Während er sich in der Scheune um die Tiere kümmerte, tröstete Evangeline sich in ihrer erbärmlichen Verlegenheit mit der Aussicht auf die heißen Bäder, an denen sie und Abigail sich während Scullys Abwesenheit erfreuen konnten.
    Sie schrieb gerade ihren Brief an Rachel, als er ins Haus zurückkam; er wusch sich kurz am Waschtisch, schüttete das Wasser draußen aus und wünschte ihr noch leise eine gute Nacht, bevor er sich in den kleinen Anbau nebenan zurückzog. Evangeline verspürte eine absurde Neugier, was diesen Raum betraf, und beschloss, hineinzugehen und sich dort umzusehen, wenn Scully unterwegs war.
    Nachdem sie Rachel ihre Reise nach Westen in allen Einzelheiten geschildert hatte, einschließlich der Tatsache, dass ein gewisser Scully Wainwright zur Springwater-Station gekommen war, um sie dort abzuholen, statt ihres zukünftigen Ehemanns, steckte sie den Brief in einen Umschlag und schrieb Rachels Adresse darauf. Die junge Lehrerin, die einst verlobt gewesen war mit einem Mann, der auf schreckliche Weise in Vicksburg umgekommen war, lebte jetzt auf einer Farm bei einer einheimischen Familie und sehnte sich danach, mehr von der Welt zu sehen. Sie war richtig neidisch gewesen auf Evangelines »großes Abenteuer«, wie sie es nannte, obwohl viele andere Frauen in der Gemeinde, und vor allem die Farmersfrauen, es für ratsamer gehalten hätten, Mott Keatings Antrag anzunehmen.
    Als sie nun endlich an Big Johns Tisch saß, unter seinem Dach und neben seinem Feuer, überdachte Evangeline ihre Situation noch einmal. Sie hatte praktisch keinen Penny mehr und war der Gnade eines Mannes ausgeliefert, den sie erst noch kennen lernen musste, und es wäre eine dreiste Lüge gewesen zu behaupten, sie hätte keine Angst, aber trotz allem bereute sie es nicht, Pennsylvania verlassen zu haben.
    Sie nahm ein frisches Blatt von dem kostbaren Papier, das sie von zu Hause mitgebracht hatte, und begann, einen weiteren Brief zu

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