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Wenn das Glück dich erwählt

Wenn das Glück dich erwählt

Titel: Wenn das Glück dich erwählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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vor wenigen Momenten noch hatte sie vor Angst und Entsetzen keinen vernünftigen
    Gedanken fassen können. Jetzt sah sie, dass der Mann eher verzweifelt als bedrohlich wirkte. Sie bewegte den Lauf ihres Gewehrs und gab ihm zu verstehen, dass er zurücktreten und die Tür freigeben solle.
    »Abigail Keating«, sagte Evangeline, ohne sich noch einmal umzusehen, »du wirst hier in der Scheune bleiben, ganz gleich, was auch geschehen mag. Du wirst sie nicht verlassen, bis ich komme, um dich abzuholen. Ist das klar?«
    »Ja, Mama«, antwortete das kleine Mädchen leise. »Ja.«
    Das Kätzchen rieb sich am linken Knöchel des Indianers und lief dann an Evangeline vorbei zu Abigail zurück.
    Evangeline nahm den Eimer, der fast bis zum Rand mit frischer Milch gefüllt war, und hob ihn hoch. »Nehmen Sie das«, sagte sie. Falls der Mann ihre Worte nicht verstand, erkannte er doch die Geste. Nach kurzem Zögern nahm er den Eimer an und trat zurück, um Evangeline vorbeizulassen.
    Sie bedeutete ihm mit dem Gewehr, voranzugehen, und zusammen gingen sie zum Hühnerstall, wo Evangeline ihm die vier Eier gab, die sie dort fand, und eine ihrer Hennen. Er steckte die Eier in einen Lederbeutel und packte das gackernde Huhn an seinen Füßen.
    Dann gingen sie zum Haus. Der Indianer, der wahrscheinlich ein Chippewa war, wie jene anderen, denen sie auf dem Weg hierher begegnet waren, wartete draußen vor der Tür. Als Evangeline wieder hinauskam, eine dicke Daunendecke in den Händen und natürlich das Gewehr, erwartete sie ein unheimliches Schweigen. Erschaudernd sah sie, dass er dem Huhn den Hals umgedreht hatte. Es war nichts wirklich Grausames - er musste es sehr schnell getan haben aber es entnervte sie trotzdem noch sehr viel mehr.
    »Sie sollten jetzt gehen«, sagte Evangeline, als sie die Daunendecke vor ihn hingelegt hatte.
    Der Indianer hob alles dankbar auf, einschließlich des Eimers, der so voll war, dass die Milch darin überschwappte. Evangeline bedeutete dem Mann zu warten, ging rasch noch einmal in das Haus zurück und suchte eine alte Tonkanne mit Deckel für die Milch. Es war schon fast dunkel, als der Mann nickte, sich abwandte und auf den Wald zuging, aus dem in der Nacht zuvor der schwarze Wolf gekommen war.
    Als er nicht mehr zu sehen war, ließ Evangeline sich im Schnee auf die Knie sinken, weil die Angst und das Entsetzen, die sie angesichts der Not des Mannes vorübergehend vergessen hatte, sie jetzt wieder mit Gewalt erfassten. Ihre Röcke waren nass, als das Zittern ihrer Glieder endlich wieder so weit nachließ, dass sie aufstehen und zur Scheune zurückgehen konnte.
    Abigail saß auf einer Kiste, das Kätzchen auf dem Schoß, und wartete. Ihre Augen waren groß; selbst im Halbdunkel konnte Evangeline die Angst im Gesicht ihrer Tochter sehen. Gott wusste, was das Kind sich vorgestellt hatte, als es hier alleine saß.
    »Du hattest Recht, mein Schatz«, sagte Evangeline mit dem Anflug eines Lächelns. »Er wollte etwas zu essen. Das war alles.«
    »Ist er fort?«
    Evangeline nickte. »Komm jetzt. Es wird Zeit, dass wir die Scheune schließen und hineingehen, um unser Abendessen einzunehmen.«
    Auf dem Weg zurück statteten sie dem Klosett noch einen hastigen Besuch ab, und sobald sie dann im Haus waren, verriegelte Evangeline sofort die Tür. Bevor sie jedoch das Gewehr auf sein Gestell zurücklegte, nahm sie sich Zeit, den Raum zu inspizieren, schaute in der Speisekammer nach und ging sogar so weit, unter den Betten nachzuschauen, nicht nur unter ihrem eigenen, sondern auch unter Scullys Liege in dem kleinen Anbau. Aber alles war in Ordnung.
    Sie legte das Gewehr weg, nahm ihren Umhang ab und half Abigail mit ihrem. Dann zündete sie die Lampen an. Als das geschehen war, wusch sie sich die Hände mit warmen Wasser aus dem Reservoir im Herd und begann, das Abendessen zuzubereiten.
    Abigail saß auf dem Boden am Kamin und beschäftigte sich mit ihrem Kätzchen, und Evan gel in es Herz quoll über vor Liebe und Dankbarkeit, als sie das kleine Mädchen spielen sah. Unglaublich, wie robust Kinder sein können, dachte sie.
    »Ich war heute Nachmittag sehr stolz auf dich«, sagte sie zu Abigail. »Du hast mir gehorcht und warst sehr tapfer.«
    Abigail strahlte sie an. »Du auch, Mama. Du hast uns beschützt, genau wie du versprochen hattest.«
    »Wir haben uns gegenseitig beschützt«, sagte Evangeline und ging zu ihrer Tochter und strich ihr übers Haar, bevor sie sich bückte und auch das Kätzchen streichelte. Es

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