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Wenn das Glück dich erwählt

Wenn das Glück dich erwählt

Titel: Wenn das Glück dich erwählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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ließen Wölfe und Kojoten ihren nächtlichen Chor erklingen, der tröstlich und beunruhigend zugleich war.
    Endlich legte Scully den Bleistift weg und blickte Evangeline, die bei der Bewegung aufgeschaut hatte, eindringlich in die Augen. »Sie wissen, dass ich wieder fort muss, nicht? Um Jacob die Maultiere und den Schlitten zurückzubringen?«
    Sie hatte dieses Wissen in den Hintergrund ihres Bewusstseins verbannt, aber es kam natürlich nicht als Uberraschung. Sie und Abigail konnten hier auf ihn warten oder ihn begleiten auf der Reise. Beides waren keine angenehmen Aussichten, aber sie würde sich für die eine oder andere entscheiden müssen. »Ja«, erwiderte sie ein bisschen lahm. »Das weiß ich.«
    »Haben Sie je eine Waffe abgefeuert?«
    Sie sollten also bleiben, sie und Abigail. Das war wahrscheinlich auch vernünftiger, als die Fahrt noch einmal zu riskieren - und Scully zu behindern, der ohne sie gewiss viel schneller vorankam. Aber irgendwie stimmte sie der Gedanke traurig, dass er fortgehen musste. »Ich habe schon auf Füchse geschossen, wenn sie Hühner rauben wollten«, sagte sie. »Aber ich habe nie versucht, einen zu treffen.«
    Er grinste. »Die gleiche Methode funktioniert im Allgemeinen auch bei Indianern, Wildkatzen und Wölfen«, versicherte er ihr.
    Sie konnte gar nicht anders, als sein Lächeln zu erwidern, obwohl sie Angst davor hatte, mit ihrer Tochter auf der Ranch allein zu bleiben, mitten in dieser rauen Wildnis, die sie wie eine rücksichtslose Bestie von allen Seiten her belauerte. Sie hatte schon sehr oft in ihrem Leben Angst gehabt, vor allem nach Beginn des Krieges, und gelernt, sich zu beherrschen, obwohl das ihre Furcht nie hatte lindern können.
    »Wie lange würden wir ... würden Sie wegbleiben?«, fragte sie mit einem unsicheren Blick auf Abigail.
    Einen Moment lang dachte sie, er werde ihre Hand berühren, und war verletzt, als er es nicht tat, obwohl es eine ausgesprochen unziemliche Geste gewesen wäre. Doch dann strich er sich nur seufzend mit der Hand durchs Haar. »Ich komme zurück, so schnell ich kann«, versprach er. »Es hängt ganz vom Wetter ab. Wenn es nicht plötzlich wieder zu schneien anfängt, müsste ich in ein, zwei Tagen wieder hier sein.«
    Evangeline schwieg, während sie über diese neue und sehr entmutigende Aussicht nachdachte. Voller Unbehagen schaute sie zu dem Gewehr über der Tür auf und hoffte im Stillen, dass sie niemals gezwungen sein würde, es abzufeuern.
    Scullys Stuhl kratzte über den Boden, als er sich vorbeugte und die Hände auf dem Tisch verschränkte. »Wenn Sie jemandem zu Hause schreiben wollen, kann ich den Brief für Sie zur Station mitnehmen. Er geht dann mit der nächsten Kutsche raus.«
    Sie nickte stumm. Sie hatte einige Freundinnen in Pennsylvania, obwohl der Krieg und ihr Leben mit Abigail und Charles ihr nicht viel Zeit für sie gelassen hatten. Sie würde den Kontakt zu Rachel English halten, die an Abigails kleiner Dorfschule unterrichtet hatte. »Ich möchte, dass Sie den McCaffreys Grüße von mir ausrichten«, bat sie.
    Er schaute zu dem Bett hinüber, in dem Abigail schlief, unbelastet von den Sorgen der Erwachsenen, und Evangeline wusste, dass er an sein Versprechen dachte, Mutter und Tochter zu beschützen.
    »Sie wird Verständnis dafür haben«, versicherte sie ihm leise und legte ihre Hände in den Schoß, um zu verhindern, dass sie ihn berührten. »Abigail ist eigensinnig, aber klug. Wahrscheinlich hat sie längst begriffen, dass Jacob und June-bug ihre Maultiere und den Schlitten brauchen. Falls das nicht klappt, erinnern Sie sie nur daran, dass Ihr Hengst noch immer bei ihnen ist. Abigail würde jedes Opfer bringen, wenn es um das Wohlergehen eines Pferdes geht.«
    Darüber lachte er. »Waren Sie wie sie, als Sie noch klein waren?«, fragte er. Selbst im schwachen Schein der Lampe zwischen ihnen konnte sie sein amüsiertes Augenzwinkern sehen. War es möglich, dass er sich genügend Gedanken über sie gemacht hatte, um sich zu fragen, wie sie als Kind gewesen war? Sie war verblüfft über die Idee und fühlte sich geschmeichelt.
    »Nein«, antwortete sie schließlich. »Ich war überhaupt nicht abenteuerlustig. Ich habe noch immer Angst vor Pferden und hätte auch sehr gut darauf verzichten können, feindlichen Indianern oder sogar Wölfen zu begegnen.«
    Er betrachtete sie sinnend. »Sie sind aber hier, nicht wahr? Eine ängstliche Frau hätte nicht das ganze Land durchquert, um am Ende der Welt zu leben

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