Wenn das Glück dich erwählt
und ...«
Ein Muskel zuckte an seiner Wange. »Dann hast du gesehen, wie es falsch gemacht wird«, entgegnete er flach, als ob sie ihn beleidigt hätte. Und damit wandte er sich ab, nahm die Eimer und verließ die Hütte, ohne ein weiteres Wort von sich zu geben.
»Was ist los mit Scully?«, fragte Abigail. Abigail, die schon wieder Forderungen stellte. Es war ein Ärgernis, das gefeiert werden musste, und Evangeline war dankbar und entnervt zugleich.
»Ich habe keine Ahnung«, erwiderte sie und schickte sich an, das Abendessen zuzubereiten.
Abigail aß an jenem Abend am Tisch und plapperte so munter wie vor ihrer Krankheit, obwohl sie noch immer blass und schwach und viel zu mager war. Ihre Genesung würde Zeit erfordern, das wusste Evangeline, aber wenigstens war sie noch da, lebte und brachte zunehmendes Interesse für die Dinge auf, die um sie herum geschahen.
Scully, ganz im Gegensatz zu ihr, war auffallend still an jenem Abend. Obwohl er seinen Ärger offenbar schon überwunden hatte, schien er sehr nachdenklich gestimmt zu sein. Das passierte manchmal, und dann war es, als ob er sich in sich selbst zurückzöge. Das war an sich nichts Schlimmes, und es geschah auch nicht sehr häufig, aber Evangeline fühlte sich immer ein bisschen allein gelassen, wenn es vorkam.
»Was bedeutet der Name >Scully«, wollte Abigail wissen.
Evangeline verbarg ein Lächeln. Sie hatte selbst schon sehr oft überlegt, was es bedeuten mochte, aber nie gewagt, danach zu fragen.
Scully schaute Abigail an. »Es war der Mädchenname meiner Mutter.«
»Haben Sie sie so genannt?«, fragte Abigail stirnrunzelnd. »Scully, meine ich?«
Er lachte. »Nein, Kleines. Ihr Vorname war Mary-Ann.«
»War sie hübsch?«
»Abigail«, mischte Evangeline sich ein. Es gab nichts, was nicht die Neugier dieses Kindes weckte, ob es sie nun etwas anging oder nicht.
Scully warf ihr einen amüsierten Blick zu, bevor er sich lächelnd an das kleine Mädchen wandte. »Sie war eine außergewöhnlich hübsche Frau. Mein Daddy musste sich ganz schön anstrengen, um sich von ihr einfangen zu lassen.«
Abigail dachte über den leichten Widerspruch in seinen Worten nach und begriff dann, was er meinte. »Wenn du dich richtig anstrengen würdest bei Mama«, fragte sie nach kurzem Schweigen, »würdest du dich dann von ihr einfangen lassen?«
Ein lastendes Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus, und Evangeline wäre am liebsten im Erdboden versunken. Das Blut schoss ihr in die Wangen, und sie wagte nicht, Scully anzusehen, obwohl sie wusste, dass er sie beobachtete. Und dabei grinste. Sie spürte dieses Grinsen auf ihrer Haut so eindringlich und heiß wie Sonnenschein. »Abigail!«, ermahnte sie ihre Tochter. »Hör auf damit!«
Scully nahm sich Zeit für seine Antwort, und als er wieder sprach, gelang es ihm, seine Belustigung zu unterdrücken und seiner Stimme einen ernsten Tonfall zu verleihen. »Ich denke schon, dass ich das tun würde«, erwiderte er ruhig. »Aber deine Mama gehört einem anderen, und deshalb geht das nicht.«
Evangeline wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Scully wollte sie - sie hatte kaum zu hoffen gewagt, dass er sie auf die gleiche Art und Weise liebte wie sie ihn. Aber er hatte Recht damit, dass sie einem anderen gehörte. Das w ar ja das Problem. Sie hatte ein Versprechen abgegeben, und keiner von ihnen beiden hätte weiterleben können mit sich selbst, wenn es gebrochen worden wäre. An jenem Abend spielten Scully und Evangeline weder Schach, noch unterhielten sie sich leise am Kamin, wie sie es sonst so häufig taten. Es lag eine merkwürdige Spannung in der Luft, die ein Zusammensein unmöglich machte, zumindest für den Augenblick, und deshalb gingen sie getrennte Wege, Scully in seinen Anbau mit einem Buch und einer Lampe, Evangeline an den Kamin, wo sie bis spät in die Nacht hinein im Schein des Feuers strickte.
Sie wurde am nächsten Morgen ausnahmsweise einmal früher wach als Scully und hatte schon Kaffee aufgebrüht und das Frühstück vorbereitet, als er voll angekleidet aus dem Anbau kam. Er wusch sich und ging danach zum Tisch, aber Evangeline kehrte ihm den Rücken zu und tat, als wäre sie beschäftigt, weil sie immer noch nicht in der Lage war, ihn anzusehen.
Er stand hinter ihr; sie fühlte die Haut an ihrer Taille prickeln, als sei er im Begriff, dort seine Hände hinzulegen. Aber zum guten Schluss berührte er sie überhaupt nicht.
»Evangeline«, sagte er leise. »Dreh dich um und
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