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Wenn das Glück dich erwählt

Wenn das Glück dich erwählt

Titel: Wenn das Glück dich erwählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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beständige Ermahnung.
    Es war der fünfzehnte Dezember, dem improvisierten Kalender nach, den Evangeline aus dem Gedächtnis aufgestellt hatte, als der Chinook-Wind erneut durch diesen Teil des Landes blies und Sonnenschein und wärmere Temperaturen mitbrachte. Fast wie im Frühling, dachte Evangeline, als sie hinausging, um die Eier einzusammeln.
    Aber in der Tür stand Scully, und er wirkte sehr entschieden, als er hinausschaute, um das Wetter einzuschätzen. »Zieh das Kind an, Eve«, sagte er, ohne sich zu ihr umzudrehen, »und pack es schön warm ein. Ich werde Abigail auf einen Ausritt mitnehmen.«
    Evangeline starrte ihn mit offenem Mund an. War der Mann verrückt geworden? Hatten Einsamkeit und Kälte ihm schließlich den Verstand geraubt? Abigail erholte sich von einer Lungenentzündung! Sie war zu schwach, um aufzustehen, ganz zu schweigen davon, auf einem Pferd zu sitzen. Außerdem war es trotz des täuschend milden Wetters noch immer bitterkalter Winter. »Das kommt nicht in Frage«, sagte sie und gab sich keine Mühe zu verbergen, wie schockiert sie über seinen Vorschlag war.
    Abigail schaute sie vom Bett aus an. Sie war fast so weiß wie die Kissen hinter ihrem Kopf. »Bitte, Mama«, sagte sie. »Darf ich?«
    Evangelines Herz schmolz wie der Schnee im warmen Chinook-Wind. »Es ist noch Winter, Liebling, und du bist sehr, sehr krank gewesen ...«
    »Bitte«, sagte Abigail noch einmal, und diesmal klang tief empfundene Verzweiflung in ihrer Stimme mit. Ihr Blick verriet ihre Sehnsucht, wieder so zu sein wie früher, zu spielen und zu toben und im Schnee herumzutollen, aber auch die Angst, dass sie ihr etwas verschweigen könnten und sie nie wieder gesund werden würde.
    »Ich passe auf sie auf, Evangeline«, sagte Scully leise von der Tür. »Das weißt du. Sei nicht so streng mit ihr.«
    Evangeline atmete tief aus. Bis jetzt war ihr nicht einmal bewusst gewesen, dass sie den Atem angehalten hatte. »Also gut«, sagte sie und schaute Scully mit einer unmissverständlichen Warnung in den Augen an. »Aber ich will, dass sie in einer halben Stunde wieder hier im Haus ist.«

12
    A ls Scully den Hengst gesattelt hatte, ritt er auf ihm zum Haus hinüber, und Evangeline, die ihn vom Eingang aus beobachtete, fühlte sich an jenen ungewöhnlichen kalten und verschneiten Tag erinnert, an dem sie Scully zum ersten Mal gesehen hatte. Als er damals auf die Springwater-Station zugeritten war, hatte sie ihn für Big John Keating gehalten und gedacht, er sei gekommen, um sie und ihre Tochter heimzuholen. Es erfüllte sie mit einer jähen, bittersüßen Melancholie, an jenen Tag zurückzudenken.
    Jetzt tänzelte der Hengst nervös, während Scully bewegungslos wie eine Statue im Sattel saß und mit einem Gesichtsausdruck auf sie herabschaute, den sie wegen des Schattens, den sein Hut warf, nicht interpretieren konnte.
    Wortlos wandte sie sich ab und durchquerte den großen Raum, um Abigail zu holen, die alles zweifach trug und zusätzlich noch in Evangelines eigenen warmen Wollumhang gehüllt war. Das Kind war leicht wie eine Feder, aber als die Sonne sein Gesicht berührte, lächelte die Kleine. Evangeline trug ihre Tochter aus dem Haus und brachte sie zu Scully, der sich weit aus dem Sattel beugte, um sie auf das Pferd zu heben. Es ist, als ob er ein Bestandteil seines Pferdes wäre, dachte Evangeline. Wahrscheinlich war er im Sattel mindestens genauso sicher wie auf seinen eigenen Füßen.
    »Wir werden nicht lange ausbleiben«, sagte er zu Evangeline.
    »Lass uns schnell reiten«, forderte Abigail ihn auf.
    Er lachte und wendete den Hengst, und Evangeline blieb in der Tür stehen und schaute ihnen nach, bis sie nicht mehr zu sehen waren.
    Sie tat ihr Bestes, um sich zu beschäftigen, solange sie nicht da waren, schnitt Stoffreste zurecht, aus denen sie eine Flickendecke nähen wollte, fegte den Boden, fütterte die Hühner und schälte Rübchen, die sie für das Abendessen kochen wollte. Trotz allem jedoch stürzte sie zur Tür und riss sie auf, als sie das Wiehern eines Pferds im Hof vernahm.
    Abigails schmales Gesicht strahlte nach all der frischen Luft und Aufregung. »Wir sind galoppiert, Mama«, sagte sie mit einer solchen Freude, dass Evangeline die Tränen kamen.
    Dennoch warf sie Scully einen vielsagenden Blick zu, als er sich im Sattel vorbeugte, um ihr das Kind zu überreichen. »Wir sind noch an einem Stück«, sagte er und war dreist genug, zu grinsen.
    »Ihr wart viel länger als nur eine halbe Stunde

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