Wenn das Glück dich erwählt
Frost mit. Der Februar, sein nächster Verwandter, kam aus blauweißem Eis geschnitzt daher. Evangeline konnte jetzt über den von der Quelle gespeisten Teich gehen, und manchmal, wenn sie Wasser holte, was nach dem Zwischenfall mit dem Wolf normalerweise Scully tat, musste sie den Gewehrkolben benutzen, um das Eis wenigstens an der dünnsten Stelle aufzubrechen. Sie ging nie weiter als bis zur Scheune oder zum Klosett ohne Gewehr, obwohl sie in jener raschen Folge von Tagen und Nächten weder wilde Tiere noch Indianer sah.
Im März begann die Schneeschmelze; es lag ein Erwachen in der Erde und eine Bewegung unter dem tiefen Schnee und harten Boden, die mehr von der Seele als von den Sinnen wahrgenommen wurde. Kleine Rinnsale von Wasser bildeten sich auf dem Eis der Quelle.
Abigail war wieder zu Kräften gekommen und so weit fortgeschritten in ihrem Unterricht, dass Evangeline nicht mehr wusste, was sie sie noch lehren sollte. Sie brauchten dringend neue Lese-und Rechenbücher, ganz zu schweigen von Landkarten für Geografie und einem leicht verständlichen Buch über Astronomie. Das Kind wurde zunehmend unruhiger in den letzten Tagen; sie ertrug es einfach nicht mehr, ständig im Haus zu sein, was Evangeline ihr nicht verübeln konnte, da auch sie selbst allmählich unter »Hüttenfieber« litt.
Nur Scully durchstreifte furchtlos die Hügel und die nahen Wälder, erlegte Wild zum Essen und fing Mustangs für seine kleine, aber ständig anwachsende Herde ein. Er brachte Kaninchen, Rebhühner und einmal sogar ein Reh mit heim, erledigte die schwereren Arbeiten und wahrte immer größere Distanz zu Evangeline.
Sehr oft, selbst wenn sie Seite an Seite abends vor dem Feuer saßen, kam ihr der Gedanke, dass er längst nicht mehr da war, dass der Mann, den sie vor sich hatte, nicht mehr als eine Sinnestäuschung war, ein Eindruck, den er in der Atmosphäre hinterlassen hatte wie einen Fingerabdruck auf Glas.
Gegen Ende März kam ein Reiter vorbei, ein Mann, der mit Indianern Handel trieb und nach Schweiß, ungewaschenen Kleidern und Fischtran roch. Er verbrachte die Nacht in der Scheune, da das Wetter inzwischen sehr viel besser war, und erzählte ihnen beim Abendessen von einem Tanzfest, das bald in Springwater stattfinden würde. Er sei bei den McCaffreys zu Besuch gewesen, sagte er, und sie hätten ihn gebeten, Scully, Evangeline und Abigail einzuladen, falls er ihnen auf seiner Reise irgendwo begegnen sollte.
Scully überraschte Evangeline am Morgen, nachdem der Reiter wieder aufgebrochen war. In der offenen Tür der Hütte stehend und an einem Becher Kaffee nippend, betrachtete er den Hof, der sich in einen See aus Schlamm verwandelt hatte, sah zu, wie Evangeline auf der Veranda die Milch in die Trennmaschine goss und sprach, als ob es seit Weihnachten nicht die geringsten Spannungen zwischen ihnen gegeben hätte.
»Wir sollten zu diesem Tanzfest gehen«, sagte er.
Evangeline beugte sich leicht vor, während sie den Griff der Maschine bewegte, um die Sahne von der Milch zu trennen. Danach würde sie aus der Sahne Butter herstellen, um sie zu dem frischen Brot zu essen, das bereits zum Aufgehen im Warmhaltefach des Herdes stand. »Was hast du gesagt?«, fragte sie, obwohl sie ihn sehr gut verstanden hatte.
»Ich glaube, du hast gehört, was ich gesagt habe«, erwiderte er.
Nervös, ängstlich, aber auch voll freudiger Erregung, richtete Evangeline sich auf. »Warum, in aller Welt, solltest du dort hingehen wollen?«
»Jacob ist ein Meister mit der Fiedel«, antwortete Scully mit einem Anflug seines Grinsens. »Außerdem werden außer den McCaffreys auch noch einige andere Leute dort sein, von denen ich mich gern verabschieden würde.«
»Dann fahr doch hin«, sagte Evangeline, bestürzt über den Gedanken an die Trennung, die jetzt dicht bevorzustehen schien. Big John kehrte vielleicht im nächsten Monat schon zurück, falls das gute Wetter anhielt, und wenn das geschah, würde ihre private Idylle für immer zu Ende sein. »Abigail und ich bleiben zu Hause.«
»Unsinn«, entgegnete Scully, dämpfte aber seine Stimme, falls das kleine Mädchen zuhörte. »Du bist bloß eigensinnig. Willst du dem Kind die Chance nehmen, unter Menschen zu kommen - oder vielleicht sogar ein paar Freundinnen zu gewinnen?«
Evangelines Augen brannten, aber sie redete sich ein, dass es vom vielen Stricken und Nähen im Licht des Feuerscheins kommen musste. »Ich kann nicht tanzen«, sagte sie, ohne Scully anzusehen. »Mein Mann
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