Wenn das Herz heimkehrt: Mittsommerträume (German Edition)
dieses verflixte Ding auch ausgerechnet jetzt dazwischenfunkte! Um ein Haar hätte er Katrina geküsst!
Geküsst?
Er schüttelte ungläubig den Kopf. Das konnte nicht sein Ernst gewesen sein. Nein, es gab nur eine Erklärung für sein augenblickliches Verhalten: Er musste den Verstand verloren haben. Katrina zu küssen war so ziemlich das Allerletzte, was er in seiner jetzigen Situation tun sollte. Egal, wie sehr er sich zu ihr hingezogen fühlte.
Auf dem Display seines Mobiltelefons wurde keine Rufnummer angezeigt, daher meldete er sich mit einem unverbindlichen “Hallo?”
“Lars? Bist du's?”, erklang Maries Stimme am andere Ende der Leitung. “Wo steckst du? Ich habe vorhin bei dir geklingelt, aber es hat niemand aufgemacht.”
“Dann werde ich wohl nicht zu Hause sein”, erwiderte Lars barsch. Er seufzte. “Tut mir leid, ich wollte dich nicht anfahren. Du warst also bei mir? Brauchst du irgendetwas?”
“Ach nein, nicht direkt. Ich dachte nur, ich statte dir einfach mal einen Besuch ab. Wir haben uns schon lange nicht mehr außerhalb der Galerie getroffen.”
Lars lachte. “Dort sehen wir uns dafür den ganzen Tag. Aber du hast recht, wir sollten tatsächlich einmal wieder etwas zusammen unternehmen. Im Augenblick ist es allerdings eher schlecht.”
Für einen Moment herrschte Schweigen, dann sagte Marie: “Ich verstehe. Nun, du musst selbst wissen, was du tust. Allerdings dachte ich, dass du nicht so schnell vergessen würdest, was sie dir damals angetan hat.”
“Was willst du damit sagen? Woher …?”, fragte er noch, doch Marie hatte bereits aufgelegt.
Er schüttelte den Kopf. Manchmal war ihm der weibliche Instinkt richtig unheimlich. Obwohl er Katrina mit keinem einzigen Wort erwähnt hatte, war es ihm doch nicht gelungen, Marie etwas vorzumachen. Wie schafften Frauen das bloß immer?
Katrina war in der Zwischenzeit aufgestanden und lief am Seeufer auf und ab, ihr eigenes Handy fest ans Ohr gepresst. Hin und wieder wechselte sie ein paar Worte mit ihrem Gesprächspartner, dann schwieg sie. Sie wirkte seltsam verspannt, verzog in unregelmäßigen Abständen das Gesicht und runzelte die Stirn. Was immer da besprochen werden mochte, es gefiel ihr offenbar nicht sonderlich.
Mit wem sie wohl redete?
Die Frage wurde ihm schon im nächsten Moment beantwortet, als ein englischer Satzfetzen von Katrina zu ihm herüberdrang. “Lass den Unsinn, Andrew!”, war alles, was er verstehen konnte, doch das reichte ihm bereits.
Ein Mann also!
Merkwürdig, was allein die Erkenntnis, dass sie mit einem anderen Mann sprach, in Lars auslöste. Mühsam bekämpfte er den Impuls, Katrina das Telefon aus der Hand zu reißen – was natürlich eine vollkommen alberne Reaktion gewesen wäre. Schließlich gehörte Katrina ihm nicht. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass sie vor Jahren einmal ein Paar gewesen waren.
Aber heute Abend will ich sie ganz für mich allein, protestierte ein Teil von ihm, der eindeutig nicht von seinem Verstand gesteuert wurde. Jener Teil, der dafür sorgte, dass sich sein Magen schmerzhaft zusammenkrampfte bei dem Gedanken, dass es sich bei diesem Andrew vielleicht sogar um Katrinas aktuellen Lebenspartner handeln konnte.
Er beobachtete sie. Sah so eine Frau aus, die mit ihrem Freund sprach? Sie wirkte sehr aufgewühlt, fast verärgert, aber vielleicht entsprang dieser Eindruck auch lediglich seiner Wunschvorstellung. Womöglich war sie einfach nur aufgeregt, weil sie sich so sehr über Andrews Anruf freute.
Hör auf der Stelle auf!, ermahnte er sich selbst. Es war nicht nur fruchtlos, sondern auch dumm, solche Überlegungen überhaupt anzustellen. Was ging ihn Katrinas Privatleben an? Sie war eine erwachsene Frau und konnte tun und lassen, was immer sie wollte. Ihm gegenüber musste sie für ihr Handeln jedenfalls keine Rechenschaft ablegen. Und es sollte ihn im Grunde auch nicht einmal interessieren. Die Beziehung zwischen Katrina und ihm ließ sich heute im besten Fall noch als freundschaftlich bezeichnen.
Aber warum hätte er sie dann vorhin beinahe geküsst?
“Ich muss jetzt auflegen”, hörte er Katrina sagen. “Wir haben das alles schon einmal besprochen, Andrew. Du kannst mich nicht von meiner Entscheidung abbringen, akzeptier das bitte.” Mit diesen Worten klappte sie ihr Handy zu und beendete damit das Gespräch.
Keine zärtliches “Gute Nacht, Darling”, kein “Ich vermisse dich auch”. Beunruhigenderweise fühlte Lars sich gleich sehr viel besser.
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