Wenn Das Leben Dir Eine Zitrone Gibt, Frag Nach Salz Und Tequila
»Auweia! Was hab ich mir da bloß eingebrockt?« von hinten an. Je mehr mir klar wurde, was ich da gerade unterschrieben hatte, desto mehr machte Zorro Zweifel sich in mir breit. Und Gangster Zorro hatte auch gleich noch seine Busenfreundin Paula Panik mit angeschleppt. Während der Arbeit im Studio war ich abgelenkt gewesen, aber jetzt hing mir auf einmal das Herz nicht mal mehr im Höschen, sondern eher auf Höhe meiner High- Heels-Riemchen.
»Thomas, was soll ich bloß machen?«
Hoppla. Hatte ich das tatsächlich gerade gesagt? Meine Stimme klang in etwa so optimistisch, als hätte man mir eröffnet, dass ich noch maximal drei Tage zu leben habe. Aber so fühlte ich mich nun mal. Die Endorphin-Ekstase war verebbt und hatte einem Adrenalin-Amoklauf Platz gemacht. Meine Synapsen funkten: Wegrennen, Sonya! So schnell es geht! Die bringen dich sonst um! Wer mir nach dem Leben trachtete? Nun ja, in der öffentlichen Wahrnehmung hatte ich schließlich das Image der »talk talk talk«-Barbie mit den hoch getapten Möpsen und dem Gehirn in Spatzenformat. Ich sah schon die seriösen Kritiker von »Zeit«, »FAZ« und »Süddeutscher« wie Geier über mir kreisen, wie sie hämisch grinsend nur darauf warteten, mich mit ihren Klauen zu zerfetzen. Dafür, dass ich es wagte, als tumbe Tussi, die noch nie eine Schauspielschule von innen gesehen hatte, die heiligen Hallen des seriösen Theaters zu betreten und ihren vollbusigen Körper auf die Bretter, die angeblich die Welt bedeuten, zu wuchten. Und dann auch noch in einer englischsprachigen Rolle. Welch Frevel! Wusste doch kein Schwein, dass ich nicht mal selbst auf die Idee gekommen war, sondern der Intendant mich angerufen und zum Casting gebeten hatte. Und selbst wenn, es hätte vermutlich keiner geglaubt. So ein einmal etabliertes öffentliches Image ist hartnäckiger als Blut-, Ei- und Kakaoflecken auf der Tischdecke.
Ja, Leute, die sonst so taffe Sonya lernte hier ein ganz neues Gefühl kennen. Ich hatte Angst! Angst vor meiner eigenen Courage und vor der Herausforderung. Ich hatte zwar Erfahrung mit Ballett, mit dem Modeln, mit Moderation und mit ein bisschen Klamauk vor der Fernsehkamera. Aber richtig Theater spielen? Das war (von der Theater-AG anno 1826 mal abgesehen) Neuland.
Ganz gegen meine Gewohnheit jammerte ich also noch ein bisschen – und Thomas hörte artig, allerdings seltsam ruhig zu. Als ich fertig war, lehnte er sich über den Tisch, nahm mein Handgelenk und sah mir fest in die Augen. Dann sagte er etwas Denkwürdiges. Thomas sagte: »Sonya-Schätzchen, immer mit der Ruhe. Die Kritiker sind völlig egal. Die schreiben sowieso, was sie wollen. Entscheidend ist, was du denkst! Und das Allerwichtigste: Egal was du tust, genieße es!«
Ich wollte protestieren, aber mir fiel kein Widerwort ein. Irgendwie wusste ich instinktiv: Thomas hatte verdammt recht. Ich hatte mich nun mal entschieden, diese Sache auszuprobieren. Wozu also zaudern und zagen? Die Jammerei raubte mir Energie. Energie, die ich in der Tat besser nutzen konnte. Zum Beispiel, indem ich mich auf diese neue Herausforderung konzentrierte, akribisch meinen Text lernte, probte und mich ganz einfach vollkommen auf die Sache einließ. Dadurch, dass ich das Engagement am English Theatre unterschrieben hatte, hatte ich mir selbst nun mal ein ganz konkretes Ziel gesetzt, niemand anderem. Wichtig war jetzt tatsächlich nicht, was irgendwer sonst darüber dachte. Sondern was ich daraus machte. Hey, ich war vielleicht keine Wiener Burgschauspielerin, aber ich war ein Arbeitstier, ich konnte an mir arbeiten – und ich wusste, dass ich verdammt noch mal mein Bestes geben würde. Wenn irgendein Mensch beim »Spiegel« anschließend trotzdem der Ansicht war, dass ich Mist gebaut hatte, falls er sich überhaupt dazu herabließ, über mich zu schreiben – so what? Außerdem: Irgendwann ist schließlich immer das erste Mal. Wenn man immer nur das macht, was man schon aus dem Effeff beherrscht, wie soll man da weiterkommen?
Viele Wochen später plagte mich am Premierenabend dann allerdings dennoch das mir bisher unbekannte Phänomen »Lampenfieber«. Adrenalingebeutelt stand ich im Backstage-Bereich des English Theatre – mit Slipeinlagen unter den Achseln gegen Panikschweiß, damit ich in meiner Arbeitskleidung – einer weißen Bluse – nicht unangenehm auffiel. Doch bevor ich schließlich durch die Tür auf die Bühne trat, schloss ich kurz die Augen und sagte mir noch einmal in beschwörendem
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