Wenn Das Leben Dir Eine Zitrone Gibt, Frag Nach Salz Und Tequila
Flüsterton: »Sonya-Schätzchen, genieße es!«
Und es wirkte! Ich genoss es! Das Publikum samt Kritikern verschwand irgendwo im Orbit, ich dachte gar nicht mehr, ich spielte. Das hier war das, was ich tun wollte! Das, wozu ich mich entschieden hatte! Niemand hatte mich gezwungen. Es war mein frei gewähltes Abenteuer: Schiffbruch oder Schatzinsel – es war völlig egal.
Ich hatte es gewagt! Und ich hatte unendlich viel Spaß auf der Bühne!
Am nächsten Tag geschah dann doch noch etwas Schockierendes: Die Kritiker, sie lobten mich! Das Allerbeste war allerdings – wenn sie mich in der Luft zerrissen hätten, wäre es mir auch egal gewesen. Aber stattdessen passierte das hier:
»Grandioses Theaterdebüt von TV-Star Sonya Kraus (34): Im ausverkauften English Theatre gab’s Standing Ovations für Sonya und ihren Bühnenpartner Tim Hardy im Stück ›A Picasso‹. Sie überzeugte als eiskalte Nazi-Agentin Fräulein Fischer, die im Laufe des Verhörs mit Pablo Picasso immer mehr Gefühl zeigt, bis hin zur totalen Verwundbarkeit.«
(BILD)
»Sonya Kraus überzeugt dabei im engen Kostüm à la Marlene als nordisch blonder Langbeiner mit zerrissenem Innenleben, der Picasso heimlich vergöttert.«
(Frankfurter Neue Presse)
»Die gebürtige Frankfurterin ist zwar bekannt, aber sicher nicht als Schauspielerin – sie stand nie zuvor auf einer Theaterbühne. Dafür und angesichts des umfangreichen Textes in einer Fremdsprache schlug sie sich durchaus wacker …«
(FAZ)
»... Für viele ist ihre Leistung sicher eine Überraschung … In den aktiven Passagen begeistert sie durch variantenreichen Einsatz der Emotionsklaviatur, kann biestig laut werden, aber auch verletzlich sein wie ein kleines Mädchen, alles glaubhaft … Der Applaus des Publikums ist aber auch eine Woche nach der Premiere nicht nur anerkennend, sondern frenetisch.«
(PRINZ)
»... Es tut gut, Sonya Kraus, die man aus dem Fernsehen als hübsche, quirlige Blondine kennt, in der Rolle eines steifen Fräuleins zu sehen. Man fragt sich nun, warum diese Frau nicht schon viel eher ihre Talente auf der Theaterbühne eingesetzt hat. Ihr Theaterdebüt ist ihr vollkommen gelungen, und wir von Musicalzirkel wünschen uns, sie noch öfter auf deutschen Theaterbühnen sehen zu dürfen!«
(Musicalzirkel)
Einige Wochen später war ich schon wieder in einer ähnlichen Angstsituation. Ich stand in der Arena auf Schalke. Unten auf einem kleinen Podest mitten auf der Rennstrecke. Um mich herum ein riesiger Kessel mit unfassbaren 60 000 Menschen. Meine Aufgabe: Ich sollte mal eben für die »TV total Stock Car Crash Challenge« locker-flockig drauflosplaudern. Live. Unter 120 000 Augen, die mich anguckten. Der sonst so beruhigende Gedanke »Zur Not kann man ja schneiden« war heute leider außer Betrieb. Ich sehnte mich nach dem schützenden Mikrokosmos Fernsehstudio. Oder zumindest nach einer lauschigen kleinen Halle, einem »Kaffeekränzchen« mit, sagen wir, drei-, viertausend Leuten. 60 000 Menschen strahlen eine unglaubliche Energie aus, die förmlich in der Luft vibriert. Ich hatte den starken Impuls, mich umzudrehen und wegzurennen (an dieser Stelle Hut ab vor Rockstars und Fußballspielern, für die so eine Menschenmenge zum Arbeitsalltag gehört).
Fassen wir zusammen: Ich hatte Muffensausen. Doch dann tauchte vor meinem geistigen Auge wieder Thomas auf wie der Flaschengeist des Aladin: Hey, Sonya-Schätzchen! Das ist ein großartiges Abenteuer! Genieße es! Ich atmete tief durch. Dann dachte ich: Wow! Ich darf das hier erleben! Schnappte mir das Mikro und ließ mich komplett in die Situation fallen. Was soll ich sagen? Es wurde wieder wunderbar.
Thomas’ Credo erwies sich als echte Zauberformel. Sie machte mich immun gegen Sorgenattacken und Selbstzweifel – und wurde zu meinem Mantra. Wenn ich seitdem in einer Situation bin, in der sich negative Gefühle anschleichen oder eine leichte Furcht durchs Hintertürchen kriecht, sage ich mir immer wieder diesen einen Satz:
Egal was du tust, genieße es!
Danke Thomas!
Mit diesem Mantra klappt das pinkfarbene Denken auch im Kleinen noch besser: Wenn ich um fünf Uhr morgens in tiefschwarzer, kalter Nacht aufstehen muss, ärgere ich mich nicht darüber, weil ich ja viel lieber noch ein paar Stunden weitergeschlafen hätte. Stattdessen genieße ich diese erhabene Ruhe, bevor alles erwacht. Den Sternenhimmel und den Streifen am Horizont, wenn langsam die Sonne aufgeht. Alle
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