Wenn Das Leben Dir Eine Zitrone Gibt, Frag Nach Salz Und Tequila
der Lästermäuler. Und wenn Ihnen der zehnte Kollege mitteilt: »Mensch, haste schon gehört, der Jürgen hat wahnsinnigen Mundgeruch«, dann gehen Sie einfach nicht drauf ein. Sollte sich so ein Gerücht bewahrheiten und Sie sind mit Jürgen so gut bekannt, dass Sie ihm auch mal etwas im Vertrauen sagen können: Klären Sie ihn auf, warum der halbe Betrieb einen Bogen um ihn macht! Natürlich tun Sie das nicht vor versammelter Mannschaft – Sie wollen ja niemanden bloßstellen.
Wie falsch man übrigens mit einem vorschnellen Urteil liegen kann und dass man Freunde manchmal nicht auf den ersten Blick erkennt, habe ich übrigens gemerkt, als ich einmal als »Accessoire« gebucht wurde.
DIE LIGA DER AUSSERGEWÖHNLICHEN GENTLEMEN
Es war Mitte der Neunzigerjahre. Damals, als Fotografen Fotomontagen noch mit Nagelschere und Tesa bastelten, man unter »Photoshop« ein Geschäft für Kamerabedarf verstand und Topmodels tatsächlich auch solche waren. Ein hochkarätiger italienischer Herrenmodehersteller buchte sieben der bestbezahlten Männermodels auf einen Schlag und schickte diese Herrenriege für drei Tage nach Mallorca zum Foto-Shooting. Das glorreiche Konzept einer findigen Werbeagentur sah vor, den kostspieligen Luxus-Zwirn gruppenweise an noch kostspieligeren Jungs zu fotografieren.
Eine geniale Idee, um garantiert jegliches Budget zu sprengen. Doch die Kreativen benötigten zusätzlich noch ein weibliches Model mit der Anforderung: Körper geil, Gesicht egal, Gage günstig! Man buchte zu den hochkarätigen Herren ein gut gebautes preiswertes Accessoire, dessen Beine, Rücken, Dekolletee und Füße fototauglich waren.
Und, Sie ahnen es, da kam ich ins Spiel! Jetzt hätte ich natürlich zutiefst beleidigt sein können, dass meine Visage auf keinem der Fotos zu sehen sein würde. Stattdessen freute ich mich auf ein paar Make-up-freie Tage. Das man nur einzelnen Körperteilen von mir das gewünschte Niveau zutraute, war für mich kein Problem. Ganz im Gegenteil, dieser Job sollte sich als eine Lektion fürs Leben herausstellen, als eine aktive Impfung gegen jegliches Schubladendenken …
Mein Reisewecker klingelte erbarmungslos Punkt fünf Uhr morgens! In Trance schob ich meinen müden Körper unter die Dusche, klemmte mir die E-Zahnbürste zwischen die Kiemen und fand beulige Beweise, dass ich den nächtlichen Kampf gegen die mallorquinischen Moskitos verloren hatte. Es stand drei zu zwei für die Blutsauger: drei Stiche auf meinen Wangen gegen zwei zermatschte Biester an der Zimmerwand. Völlig wurscht, mein Gesicht war ja auf den Fotos sowieso unerwünscht!
Eine gewisse Schadenfreude konnte ich mir bei dem Gedanken, dass meine hoch bezahlten Kollegen schon vor einer Stunde beim Visagisten antreten mussten, nicht verkneifen. Normalerweise hieß es beim Modeln »Ladys first«, und wir Mädels mussten mitten in der Nacht zur Fassadensanierung antreten. Genüsslich kratzte ich noch ein wenig an meinen Stichen … mhm, herrlich!
Leider war ich am Vorabend so spät angekommen, dass ich nur noch die Kampftrinker des Teams (den Fotografen und seine Assistenten) ziemlich volltrunken an der Hotelbar angetroffen hatte (Normalzustand auf Fotoreisen). Die lieben Modelkollegen lagen schon brav in ihren Bettchen und zelebrierten ihren Schönheitsschlaf. Ich war also gespannt auf die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen …
Der Morgen auf Malle war noch nicht ganz erwacht, und ich auch nicht, als sich vor dem Hotel ein berggroßer Schatten auf mich stürzte und eine sonore Soul-Stimme mir entgegenschmeichelte: »Hi, I’m Dustin.« Ich wurde von zwei Schraubstöcken gepackt, an eine leicht bekleidete Schwimmerbrust gedrückt, um Sekunden danach, aus der Umarmung befreit, nett angelächelt zu werden. Mein geschocktes Herz beruhigte sich. Mir stand ein riesiges zuckersüßes Schokocrossi gegenüber, politisch korrekt auch »Afroamerikaner« genannt. Ein Mann mit einem Teint im Farbton Nougat, den edlen Gesichtszügen eines Wüstenprinzen und der körperlichen Perfektion eines Panthers. Galant schnappte sich Naomi Campbell in männlich meine Tasche und warf sie sich locker über die muskulöse Schulter. »Let’s hurry, sweetheart! We’re quite late.« Sprach’s, spuckte seinen Kaugummi auf den Boden und schob mich mit der Zärtlichkeit eines Gabelstaplers in Richtung Teambus.
So, so. Das war also das Topmodel mit der Startnummer 1, für die Liebhaberinnen des exotischen Looks und der robusten
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