Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn das Schlachten vorbei ist

Wenn das Schlachten vorbei ist

Titel: Wenn das Schlachten vorbei ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
Vom Netzwerk:
die nur theoretisch welche sind. Aber dies ist tatsächlich eine Party oder jedenfalls ihr Anfang, und so schiebt sie den Laptop mit einem entschlossenen Schulterzucken in die Hülle, reibt demonstrativ die Handflächen aneinander und öffnet den Verschluss der Studentenfuttertüte. Sie wirft sich eine Handvoll in den Mund und zermahlt mit den Backenzähnen die Mischung aus Sonnenblumenkernen, Datteln, Rosinen und Schokoladenstückchen. Der Zuckerkick kommt beinahe sofort. Sie hält Tim die Tüte hin, der sie geistesabwesend nimmt. Er sieht sie zweifelnd an, als würde er an etwas ganz anderes denken, sich stellvertretend für sie Sorgen machen, sich ihren Kopf zerbrechen. »Ich will schwer hoffen, dass der Drucker da draußen funktioniert –«
    Ihr Lächeln ist jetzt wärmer, es breitet sich aus, bis sie ein Ziehen in den Muskeln am Mundwinkeln spürt. Wie heißen die noch? Zygomaticus major . Oder minor . Oder beides. Das klingt ungefähr richtig, aber ihr Anatomiekurs liegt lange zurück, und wenn sie sich recht erinnert, braucht man ungefähr sechzehn verschiedene Muskeln, um ein Lächeln zu erzeugen, das diesen Namen verdient. Aber das spielt keine Rolle. Wichtig ist nur, dass sie lächelt, denn Tim lächelt zurück, und sie beide kommen in den seltenen Genuss eines gemeinsamen freien Tages, sofern man es so nennen kann.
    »Kennst du mich, oder kennst du mich nicht?« sagt sie und klopft auf den Rucksack zu ihren Füßen. »Ich habe meinen eigenen mitgenommen, nur für den Fall.« Bevor er etwas sagen kann, hebt sie die Hand. »Ja«, sagt sie, »ja, ich weiß. Und Papier.«
    Vor sieben Jahren ist sie nach Guam gegangen, weil sich die Möglichkeit bot, weil Julie Savidge eine ihrer großen Heldinnen war und weil sie selbst sich gerade von Rayfield Armstrong getrennt hatte, der in den Bars und Cafés von Berkeley Gitarre spielte, wenn er nicht an seiner Dissertation über die Auswirkungen der Ausbreitung einer bestimmten eingeschleppten Krabbenart – der Gemeinen Strandkrabbe – auf die Populationen der Wirbellosen in der San Francisco Bay schrieb, und dessen Brust-, Schultern- und Rückenmuskeln von all den Stunden, die er im Wasser verbrachte, so trainiert und akzentuiert waren, dass er aussah wie ein menschliches Mosaik. Sie war bei ihm eingezogen, und das war eine Entscheidung gewesen, die erste Entscheidung dieser Art in ihrem Leben, aber die Monate waren vergangen, und schließlich waren ihre Geduld, ihre Hoffnung und ihr guter Wille erschöpft gewesen. Er war nie zu Hause, ständig musste er tauchen oder in irgendeiner Bar, irgendeinem Café im Licht des Scheinwerfers stehen und Gitarre spielen oder mit dem Greyhound-Bus zu einem Auftritt in irgendeinem Nest fahren, von dem noch nie jemand gehört hatte, und wenn er zu Hause war, gab es für ihn nur Krabben und Gitarre, Krabben und Gitarre, und er schien nicht viel Zeit für sie zu haben. Also zog sie wieder aus. Und nahm eine Forschungsstelle an. In Guam.
    Sie erwartete, dass es dort in etwa so sein würde wie in Hawaii, nur primitiver, härter, weniger entwickelt, und sie wurde nicht enttäuscht. Die durch den Dschungel gebahnten Straßen waren pausenlos verstopft und voll tödlicher Gefahren, die Architekten bevorzugten Stahlbeton (aus schierer Notwendigkeit und um den Taifunen in dieser Weltgegend zu trotzen, die von Meteorologen als »Wiege der Taifune« bezeichnet wurde), und alles, selbst der Plastikkanister mit Bleichmittel, den sie unter dem Waschbecken ihres bunkerartigen Ein-Zimmer-Apartments aufbewahrte, roch nach den schwärenden, sich explosionsartig vermehrenden Mikroorganismen der Tropen. Der Dschungel wucherte, doch viele im Krieg zerstörte einheimische Bäume waren durch aus Südamerika importierte Tangantangan ersetzt worden, und es war gespenstisch still, weil es keine Vögel gab. Deshalb hatten die Insekten überhandgenommen, mit dem Ergebnis, dass sich die Spinnen – handtellergroß, mit leuchtendgelben Streifen auf den glänzendschwarzen Körpern – rasant vermehrt hatten und ihre großen, zeltartigen, bebenden Netze im Unterholz ebenso wie zwischen den Ästen der Bäume spannten, weswegen man sich unmöglich durch den Dschungel bewegen konnte, ohne dass dieses Zeug an einem klebte wie eine zweite Haut. Ganz zu schweigen von der Spinne selbst, die vermutlich nicht gerade erbaut war, mitsamt ihrem Netz davongerissen zu werden und sich auf einem Ärmel, einem Kopf, einem Gesicht wiederzufinden.
    Die Einheimischen –

Weitere Kostenlose Bücher