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Wenn das Schlachten vorbei ist

Wenn das Schlachten vorbei ist

Titel: Wenn das Schlachten vorbei ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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wickelte es in Alufolie und füllte die Thermoskanne mit heißer Schokolade. Dann zog sie die Regenjacke an, setzte den Sombrero auf, den ihr Franciscos Cousin Manuel im vergangenen Jahr nach der Schur von einer ausschweifenden Woche in Tijuana mitgebracht hatte, und trat wieder hinaus in den Regen. Sie umging das Bachbett, in dem jetzt der zum Leben erwachte Scorpion River floss, und marschierte durch den Eukalyptushain zur Wiese, wo die Schafe grau und nass dastanden, so weit ihr Auge reichte, und auf dem frischen, jungen Gras aussahen wie Haufen schmutziger Lumpen. Es war wie eine Szene aus einer unvordenklichen Vergangenheit, und unwillkürlich stellte sie sich die ersten nackten Urmenschen vor, die gerade den ersten Schafbock erlegt, gekocht und gegessen hatten und nun mit dicken Bäuchen um das Feuer saßen und dachten, wie schön es doch wäre, ein solches Tier zu haben, festgebunden am nächsten Baum, so dass man Fleisch, Innereien und einen guten, wärmenden Pelz haben könnte, wann immer man wollte. Das war das erste Unternehmen, so alt wie die Stämme selbst. Und Kain erschlug Abel, weil Abel den Herden folgte, während Kain Samen in die Erde legte, und was für ein Opfer für den gierigen Gott im Himmel waren schon Kürbisse und Bohnen im Vergleich zu der Keule eines frisch geschlachteten Lamms?
    Anises Plane – feuerwehrrot oder vielmehr rotorange, eine Farbe, die es in der Natur nicht gab, jedenfalls nicht an der amerikanischen Westküste – leuchtete feucht glänzend am anderen Ende der Wiese. Rita sah die ausgestreckten Beine ihrer Tochter, die hochgezogenen Schultern, den schwarz-weißen Hund, der den Kopf auf ihren Schoß gelegt hatte, und das aufgeschlagene, gegen den Rücken des Hundes gelehnte Buch. Ihre Tochter tat, was sie immer tat, freiwillig und aus eigenem Antrieb, sie musste nicht ermahnt oder erinnert werden. Sie las, sie lernte, sie machte sich zu einem besseren Menschen. Anises Kenntnisse waren bereits so weit fortgeschritten, dass sie oder Bax ihr, abgesehen vom Gitarrespielen, nicht mehr helfen konnten, und nicht einmal der Fernunterricht mit dem monatlichen Arbeitsplan und den wöchentlichen Prüfungen konnte mit ihr Schritt halten. Sie war noch keine fünfzehn und bewältigte bereits Aufgaben, die man einem Collegestudenten im ersten Jahr hätte vorlegen können, und zwar ganz allein. Rita war jedesmal wieder erstaunt, wenn sie sah, wie ihre Tochter sich an die Arbeit machte: Die Disziplin und Entschlossenheit, die sie dabei zeigte, hatte sie selbst nie besessen, jedenfalls nicht im Zusammenhang mit Schulfächern. Sie war zu nervös gewesen, zu sehr darauf versessen, alles hinzuschmeißen, sich ins Village zu schleichen und durch die Cafés und Clubs zu ziehen, und was war dabei herausgekommen? Nichts. Ein falsches Leben und falsche Hoffnungen. Anise war anders. Anise hatte eine Zukunft. Und je länger sie sich von den Fährnissen der Welt fernhielt, desto besser.
    »Hallo, meine Butterblume«, hörte sie sich rufen. Der Regen prasselte wie der Trommelwirbel eines Spastikers, die Mutterschafe leckten ihre neugeborenen Lämmer ab, Bumper rannte durch das hohe Gras auf sie zu, und ihre Tochter hob den Kopf und sah ihr mit abwesendem Blick entgegen.
    Im nächsten Augenblick setzte Rita sich neben sie unter die Plane und hielt Anise das Sandwich hin, das diese zunächst ignorierte. Sie legte das Buch beiseite und griff nach der Thermosflasche mit der heißen Schokolade. Mit triefendem Schwanz und nassen Pfoten drängte der Hund sich neben sie und schnupperte an der Folie. »Das solltest du essen, solange es warm ist«, sagte sie.
    »Was ist da drauf? Doch kein Lammfleisch?«
    »Ein Omelett. Und Tonnen von Ketchup.«
    Sie sah zu, wie ihre Tochter die Thermosflasche aufschraubte und sich einen Becher Schokolade einschenkte, ohne einen einzigen Tropfen zu verschütten, als wäre es ein seltener Wein. Noch einmal bot sie ihr das Sandwich an, und diesmal nahm Anise es und legte es auf den Schoß, wo es zwischen der feuchten Nase des Hundes und den Falten des feuchten Schlafsacks balancierte, auf dem sie saßen. Wie Toby war Anise groß – schon jetzt eins siebzig –, und als sie sich jetzt anders hinsetzte und die Beine kreuzte, lange Beine, die dem Rest ihres Körpers noch voraus waren, rettete sie im allerletzten Moment und wie in einem nachträglichen Einfall das abrutschende Sandwich. Sie nippte an der Schokolade, sah auf den glänzenden Einband ihres Buchs ( Die amerikanische

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