Wenn dein Lächeln mich umarmt
warten.
Ihre Großmutter wusste nichts von diesem Angebot. Sie hatte ihr gegenüber absichtlich darüber geschwiegen, weil sie nicht von ihr noch mehr bedrängt werden wollte, als es ohnehin schon g e schah. Für ihre Großmutter war ihre Schlagerkarriere zu einer fixen Idee geworden. Ihr ganzes Sein schien nur noch darum zu kreisen.
Ob ihre Großmutter es bereute, ihre eigene Karriere für ihre Ehe aufgegeben zu haben? Stefanie konnte es sich nicht vorste l len, denn noch heute sprach die alte Dame nur mit Liebe von i h rem verstorbenen Gatten. Schade, dass es damals nicht möglich gewesen war, Gutsherrin zu sein und gleichzeitig ein gefeierter Bühnenstar.
Die Werntals kehrten von dem Einkaufsbummel, den sie g e macht hatten, zurück. Stefanie traf sich mit ihnen im Speisesaal zu einem frühen Abendessen. Es gab gegrillten Zander mit Gemüse und Olivenpesto und zum Nachtisch Vanilleeis.
"Dein Kleid ist wunderschön, Steffi", meinte Marion von Werntal, als sie nach dem Essen in die Tiefgarage hinunterfuhren. Da es ein warmer Sommerabend war, hatte Stefanie keinen Mantel angezogen, sondern um ihre Schultern nur einen weichen Kasc h mirschal gelegt. Sie berührte sekundenlang den Rücken der jungen Frau. "Sein Stoff fühlt sich so weich und fließend an, als würde man die Hand in warmes Wasser tauchen."
Ihre Mutter lachte auf. "Typisch Marion", bemerkte sie zu St e fanie. "Sie muss für alles einen Vergleich finden."
"Er passt", sagte Stefanie. "Ich habe mir das Kleid im Frühling gekauft. Als ich den Stoff berührte, war ich wie verzaubert. Mein Vater war gleich begeistert, als ich es ihm vorfüh r te. Er meinte, dieses dunkle Blau würde zur Farbe meiner Augen passen."
"Womit der Herr Baron recht hatte, Baronesse Stefanie", best ä tigte Elke von Werntal. "Sie sehen bezaubernd aus."
"Torben wird das Kleid auch gefallen", meinte Marion.
"Torben wird sich heute Abend für nichts anderes interessieren als sein Konzert", beeilte sich Stefanie zu sagen und hoffte, dass die anderen nicht ihr Erröten bemerkten.
"Wenn wir uns nicht verspäten wollen, sollten wir einsteigen." Hartmut von Werntal öffnete die Fondtür. "Bitte Baronesse Stef a nie."
"Danke, Herr von Werntal." Stefanie setzte sich auf den Rüc k sitz und glättete den Rock ihres Kleides, bevor sie sich anschnal l te. Sie konnte es kaum noch erwarten, Torben wiederzusehen. Allein der Gedanke an ihn ließ ihr Herz schon schneller schl a gen.
Sie verzichteten darauf, Torben in seiner Garderobe zu bes u chen. Er musste sich auf seinen Auftritt konzentrieren und durfte sich nicht von seiner Familie und Stefanie ablenken lassen. Aufg e regt nahmen sie ihre Plätze im Theater ein.
Nach und nach verlöschten die Lichter und nur noch die Bühne mit dem großen Konzertflügel und den Stühlen für das Orchester lag im Scheinwerferlicht.
Brausender Beifall klang auf, als die Musiker die Bühne betr a ten, sich verneigten und ihre Plätze einnahmen. Nur zwei, drei Minuten später kam Torben von Werntal auf die Bühne. Er trug einen eleganten Smoking und wirkte ernst und feierlich. Gekonnt verbeugte er sich nach drei Seiten, dann setzte er sich an den Fl ü gel und spielte mit Orchesterbegleitung das erste Stück, die O u vertüre aus der Zauberflöte.
Stefanie konnte ihren Blick kaum von Torben lassen. Sie hatte ihm auch früher schon gern beim Spielen zugehört, doch an di e sem Abend war es anders. Mit seiner Musik entführte er sie in eine andere Welt. Gemeinsam schritten sie über Blumenteppiche und Wolken, flog auf einem bunten Teppich durch ein Märchenreich der Phantasie.
Der Beifall riss sie aus ihren Gedanken. Sie stimmte so heftig in den Beifall ein, dass ihr die Hände schmerzten.
Bei dem nächsten Stück handelte es sich um Ausschnitte aus dem Lied der Erde von Gustav Mahler. Nie zuvor war Stefanie von diesem Stück so ergriffen gewesen, wie an diesem Abend. Ihr Vater hatte die Musik von Mahler geliebt. Sie war quasi mit dem Lied der Erde aufgewachsen. Nur mit Mühe hielt sie ihre Tränen zurück.
Nach Ende des Konzerts wurde der junge Pianist begeistert von den Zuhörern gefeiert. Dreimal musste er eine Zugabe geben, b e vor es ihm gelang, für diesen Abend die Bühne endgültig zu ve r lassen, um zu der Party zu gehen, die ihm zu Ehren in einem n a hen Hotel stattfand.
Erst bei dieser Party fanden die Werntals und Stefanie Zeit, Torben zu Hause willkommen zu heißen. "Du hast wundervoll gespielt", sagte die junge Baronesse. "Ich habe dich
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