Wenn der Acker brennt
Tagebuchseiten.«
»Aber ihr habt die Aufzeichnungen gelesen und gestern Nacht Dinge gesehen, die ihr nicht hättet sehen sollen. Es scheint die Tragik deines Lebens zu sein, dass du zu den unpassendsten Zeiten auf dem Denningerhof auftauchst, Linden. Aber warum musst du immer die Mädchen mit hineinziehen? Erst Amata, jetzt Christine.«
»Niemand zwingt dich, Christine zu deinem Problem zu machen.«
»Sie macht aber nicht den Eindruck auf mich, als würde sie einfach vergessen wollen, was sie inzwischen herausgefunden hat. Sie scheint mir ebenso intelligent wie ihre Schwester zu sein. Halbschwester, um genau zu sein. Ich kann sie nicht unbehelligt ziehen lassen, auch wenn ich das zutiefst bedaure. Wir beide werden uns jetzt mal in der Hütte umsehen.« Jeremias’ Geduld war zu Ende. Er entsicherte seine Pistole und drückte den Lauf in Ricks Nacken. »Wenn du tust, was ich von dir verlange, kannst du noch ein paar Minuten Leben herausschlagen und auf ein Wunder hoffen. Ich an deiner Stelle würde diese Option durchaus in Betracht ziehen.«
Rick gab Jeremias nach. Er würde nicht verhindern können, dass er die Hütte durchsuchte. Wenn er mit ihm ging, bewahrte er sich immerhin die Chance, Christine beizustehen – und vielleicht gelang es ihm ja sogar, Jeremias tatsächlich zu überwältigen.
Die Hüttentür war nur angelehnt. Als Jeremias sie mit dem Fuß aufstieß, flog sie nach innen. Merkwürdig, dachte Rick, als sie kurz vor der Wand abgebremst wurde. Doch sein Begleiter schien nichts davon bemerkt zu haben, viel zu sehr war er damit beschäftigt, die Hütte abzusuchen. Rick überlegte. Wenn er den Stuhl vor dem Kamin zu fassen bekam, würde er Jeremias vielleicht abwehren können, um Christine zur Flucht zu verhelfen. Aber wo war sie? Die Decke, auf der sie sich geliebt hatten, lag ordentlich zusammengelegt auf dem Bett. Die Wasserflasche, die Erdnüsse, alles war weggeräumt. Nur die Asche im Kamin glühte noch, ansonsten wirkte die Hütte unbenutzt.
»Ich hätte schwören können, dass sie hier ist«, murmelte Jeremias sichtlich enttäuscht. »Wo hat sie sich versteckt, verflucht noch mal, wo ist sie?«, schrie er Rick an und schubste ihn gegen die geöffnete Tür.
Rick spürte sofort den Widerstand, als er sich abfing. Christine! Er lehnte sich sachte gegen das Holz, um ihr genug Luft zum Atmen zu lassen.
»Mach endlich den Mund auf, Linden.« Jeremias ließ nicht locker.
»An der Klamm war sie plötzlich weg. Wahrscheinlich hat sie sich am Bachlauf orientiert, um an ihm entlang zurück ins Dorf zu laufen. Sie kennt sich in dieser Gegend nicht aus.« Er hoffte, dass Christine genau das tun würde, sobald es ihr möglich war.
»Warum nur glaube ich dir nicht?«, fragte Jeremias misstrauisch.
»Das ist dein Problem.«
»Wenn deine Geschichte stimmt, dann ist sie längst wieder im Tal und erzählt wirre Geschichten über mich.«
»Sie wird auf interessierte Zuhörer stoßen.«
»Möglicherweise, aber es werden Geschichten bleiben, weil sie keine Beweise hat.«
»Du solltest Franz Burger nicht unterschätzen.«
»Keine Sorge, den Fehler mache ich nicht. Aber weißt du, irgendwann wird die Spurensicherung die Reste von Christines Tasche in Denningers Feld finden.«
»Das beweist nur, dass sie auf dem Hof war.«
»Zu gegebener Zeit werde ich Burger ihr Handy zuspielen. Das Foto von unserem toten Denninger, Gott habe ihn selig, wird dann mit Sicherheit Fragen aufwerfen. Unangenehme Fragen für unsere kleine Christine.«
»Welches Motiv sollte sie gehabt haben, ihn umzubringen?«
»Streit, Rache, Habgier, was weiß denn ich?«
»Was ist mit Schwabe? Hat sie den auch erledigt?«
»Das Foto beweist, dass sie am Tatort war. Den Rest werden sich andere zusammenreimen. Die Motivsuche ist nicht meine Aufgabe, ich werde mich auf einige Anregungen beschränken, und jetzt halt den Mund, Linden.« Jeremias holte aus und versetzte Rick einen Kinnhaken, der ihn taumeln ließ. »Ich bin sicher, Bettis Tochter ist noch in der Nähe und beobachtet uns. Komm, gehen wir ein Stück und locken die Kleine aus ihrem Versteck.«
Rick wehrte sich nicht, als Jeremias ihn vor die Hütte zerrte und die Tür zuzog. Je weiter sie sich entfernten, umso besser für Christine. Er dachte einen Moment lang daran, Jeremias das Dokument zu zeigen, das Denninger ihm gegeben hatte. Vielleicht war es der Trumpf, der den Wahnsinn aufhalten würde, aber sein Gefühl sagte ihm, dass es definitiv der falsche Zeitpunkt war, damit
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