Wenn der Boss von Liebe träumt ... (German Edition)
sie beide so schwer gewesen war.
Seattle und der Mount Rainier hatten im spätsommerlichen Sonnenschein gelegen. Die Luft war kühl und frisch gewesen und hatte schon an den nahenden Herbst mit seinen Apfel- und Bierfesten denken lassen.
Aber er selbst hätte Regen, Sturm und früh einsetzende Dunkelheit als viel passender empfunden. Lisa hatte gerade Geoffs Sohn zur Welt gebracht, und der stolze Vater hörte nicht auf, von dem wunderbaren Kleinen und der tapferen, erschöpften Mutter zu erzählen.
Er selbst saß ruhig da und gab sich alle Mühe, Geoffs Begeisterung zu teilen und lebhaftes Interesse für alle Einzelheiten zu zeigen, die er ohnehin schon bald wieder vergessen haben würde. Es musste Stunden gedauert haben, ehe er ihn endlich fortschickte. Geoff sollte ein paar Wochen Urlaub nehmen, um Zeit für seine Familie zu haben.
Noch heute verspürte er deshalb so etwas wie Schuldgefühle, denn er hatte dem Freund nicht aus Großzügigkeit freigegeben, sondern in Wahrheit aus reinem Egoismus. Weil er es nicht mehr mit anhören konnte, wie glücklich Geoff und Lisa waren. Und auch keine detaillierten Schilderungen von Schwangerschaft und Geburt. Denn in diesem Punkt hatte sich Lisa geirrt: Es hatte keine fünfzig Jahre gedauert, bis er so neidisch geworden war, dass er fast daran erstickte. Sondern exakt neun Monate.
Kaum war Geoff gegangen, betrat Angie das Büro. Sie warf nur einen Blick auf ihren Chef und ging sofort zur Bar, um ihm einen Drink einzugießen. Ob sie von seiner Verbindung zu Lisa durch die Gerüchteküche in der Firma erfahren oder in dem Jahr ihrer Zusammenarbeit ihre eigenen Schlüsse gezogen hatte – jedenfalls wusste sie Bescheid. Und sie gab sich die größte Mühe, seine Aufmerksamkeit auf andere Dinge zu lenken.
Das funktionierte bis spät in den Abend. Sie ließen sich Essen kommen und widmeten sich dann dem neuesten Sanierungsprojekt. Irgendwann bemerkte er, dass Angie sich erschöpft auf die Couch der Sitzgruppe hatte sinken lassen. Zurückgelehnt und mit geschlossenen Augen saß sie da. Wie immer trug sie eines ihrer schrecklichen Kostüme, diesmal eins in einem schmutzigen Braunton. Irgendwann musste sie die Jacke ausgezogen haben. Die dünne Seidenbluse in Taupe spannte über der sanften Rundung ihrer Brüste. Der Rock war hochgerutscht und ließ ein Paar traumhaft langer und schlanker Beine sehen. Und während sie sonst immer einen straffen Haarknoten trug, fielen ihr jetzt die langen Haare in allen Schattierungen von Bronze über Kastanie bis zu einem hellen goldbraun glänzend über die Schultern hinab.
Zum ersten Mal sah er Angie als Frau.
Als hätte sie seinen Blick gespürt, schlug sie die Lider mit den dichten Wimpern auf und blickte ihn mit ihren klaren aquamarinblauen Augen an, die dunkler wirkten als sonst.
Angie war eine hervorragende Assistentin, das wusste er längst. Belastbar, zuverlässig, einfallsreich. Aber jetzt nahm er sie zum ersten Mal als zart und verwundbar wahr. Ihr Atem ging in diesem Moment offenbar schneller als sonst, denn die Brüste unter dem feinen Seidenstoff hoben und senkten sich deutlich.
Einen endlosen erregenden Augenblick lang sahen sie einander nur in die Augen.
Das Raubtier in ihm drängte danach, jetzt zu handeln. Sie zu nehmen. Zu erobern. Zu besitzen. Der zivilisierte Teil seiner Persönlichkeit hielt ihn jedoch zurück und zwang ihn, seine Wünsche unerfüllt zu lassen.
Wie festgefroren saß er damals auf seinem Stuhl, während in ihm ein mächtiger Kampf tobte.
Er brauchte nur zu ihr zu gehen und sie in die Arme zu nehmen. Sie würde ihn nicht zurückweisen, das sagte ihm seine in Jahren geübte Menschenkenntnis.
„Lucius?“, rief sie leise durch den halbdunklen Raum. Zögernd und unendlich verführerisch. So musste Eva Adam gerufen haben …
„Geh nach Hause. Du bist müde.“
Aber sie hörte nicht auf, ihn sehnsüchtig anzustarren. Im Geiste sah er den Apfel in ihrer Hand. „Was ist mit dem Prospekt?“
„Darum kümmern wir uns morgen.“ Er stand auf, nahm ihre Kostümjacke und warf sie ihr zu. „Das ist das erste Mal, dass ich die tadellose Miss Colter zerknittert sehe.“
Wie er gehofft hatte, reagierte sie äußerst bestürzt auf diese Bemerkung. Sie fing die Jacke auf und sprang von der Couch.
Wäre da nicht immer noch der Apfel der Versuchung gewesen, hätte er vermutlich amüsant gefunden, wie hastig sie ihre Kleidung in Ordnung brachte. Sie zog den Rock zurecht, stopfte die Bluse hinein und schlüpfte
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