Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen
Schulabschlußfeier und dem vergilbten Postabschnitt mit dem ersten Honorar befindet sich darin eine Reihe von Weihnachtsgeschenken früherer Jahre, einige noch in der Originalverpackung.
Auch in einem vollen Schrank läßt sich noch eine Menge unterbringen; aber irgendwann bekommt er Metastasen, und dann ist zu Hause Alarmstufe 1. Um zu verhindern, daß eine Frau mit der ihrem Geschlecht eigenen Gefühlskälte (soweit es unsere Vergangenheit betrifft) bleibende Schäden anrichtet und Unersetzliches vernichtet, macht man sich selbst ans Aufräumen.
Ich bin jetzt gerade dabei und habe nur kurz unterbrochen, um Ihnen einen Vorschlag machen zu können, der geeignet ist, eine ganze Reihe von Problemen zu lösen:
Ein erheblicher Teil der Behältnisse »Verschiedenes« in unseren Wohnungen wird beansprucht von Geschenken lieber Menschen. Man kann sie nicht verwenden (da unpassend), und man wagt nicht, sie wegzuwerfen (da von lieben Menschen kommend). Auch weiterschenken ist gefährlich, da die Dinge in einer Art Kreislauf irgendwann wieder zum ursprünglichen Sender zurückkehren und die Mißachtung seiner Aufmerksamkeit offenbaren könnten. Außerdem muß man auch noch damit rechnen, daß passende Geschenke doppelt oder gar mehrfach erscheinen, und mehr als ein Backgammon-Brett oder eine Kartenmischmaschine kann auch der spielfreudigste Haushalt nicht verkraften.
Um allen diesen Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, schlage ich vor, künftig nur mehr Zettel zu verschenken. Diese in einem verschlossenen Umschlag zu Weihnachten überreichten Zettel enthalten eine genaue Bezeichnung des Gegenstandes, den der Schenkende überreichen wollte und den Betrag, den auszugeben er bereit war.
Ich stelle es mir wunderschön vor, unter dem Christbaum sitzend alle die Zettel zu lesen, zu sehen, wer sich was Vernünftiges hat einfallen lassen und wieviel man dem Absender wert war. An Hand der Durchschläge der Zettel, die man selbst verschickt hat, kann man gut vergleichen, wie man »lag«.
Voraussetzung ist natürlich, daß ehrlich gespielt wird, daß man nicht etwa, weil‘s halt nicht tatsächlich etwas kostet, zu hoch einsteigt, nur um anzugeben. Falls übrigens unter den Papiergeschenken etwas ist, was man wirklich gern hätte, kann man es sich ja von dem Geld, das man für nutzlose Geschenke an andere nicht ausgegeben hat, selbst kaufen.
Glauben Sie mir, die Geschichte ist eine echte Hilfe. Fordern Sie vom Verlag Sonderdrucke dieses Artikels an und verschicken Sie ihn an Stelle eines Rundschreibens an Ihren Freundeskreis und an die Verwandtschaft! Es wird sich lohnen.
BARTEL F. SINHUBER: Das Weihnachtsfest des Roten Heinz
BARTEL F. SINHUBER
Das Weihnachtsfest des Roten Heinz
Anatol: Gnädige Frau – Sie irren
sich! Sie kennen diese Mädchen nicht
– die sind anders, als Sie sich
vorstellen … (Arthur Schnitzler)
Die Gegend um den Naschmarkt ist zum Wohnen recht angenehm, nicht gerade der vornehmste Bezirk von Wien, aber lebendig, bunt und nahe dem Zentrum. Man trifft die unterschiedlichsten Menschen aller Schichten und Klassen, die hier leben, die Gassen, Plätze und auch einige dunklere Winkel, die Gasthäuser, Naschmarkt-Beiseln und Kaffeehäuser bevölkern, eine homogene Mischung von Lebens- und anderen Künstlern, von kleinen Angestellten und biederen Geschäftsleuten, von schwulen Kellnern und mütterlichen Huren. Türkische, bulgarische und jugoslawische Obst- und Gemüsehändler sorgen für das orientalische Ambiente, das nahegelegene Theater an der Wien für etwas schillerndes Flair.
Die den Markt rechts und links begrenzende Wienzeile war einst vom aufgeschlossenen, secessionistisch geprägten Bürgertum als Prachtstraße nach Schönbrunn, als Huldigung an den Kaiser und Gegenstück zur Ringstraße geplant. Die sichtbaren Gegensätze geben den hier Lebenden den adäquaten Rahmen.
Das Weihnachtsfest, von dem hier die Rede sein soll, fand vor einigen Jahren in einem jener modernen, eher gesichtslosen Nachkriegswohnbauten statt, die natürlich auch hier – wie überall – zwischen den noch alten Häusern zu finden sind. Hinter den so gleich aussehenden Wohnungstüren im vierten Stock lebten damals höchst unterschiedliche Parteien.
Da gab es eine türkische Familie mit reizenden Kindern, die selten lärmten, dafür aber immer freundlich »Grüß Gott!« sagten, wenn sie jemandem im Stiegenhaus begegneten. In der Wohnung gleich gegenüber dem Lift führten zwei junge Herren, Michael und Herbert, ein
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