Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen
Frau Rita. Ja – ja – danke! Ja, und Ihnen auch schöne Weihnachten!«
Rita, die sonst nie um ein schnelles Wort verlegen war, stand da und lächelte ihn an.
»Ja, schönen Dank«, sagte Arthur noch einmal. »Das ist sehr lieb von Ihnen!« Und dann wußte er nicht, was er noch sagen sollte.
Irgend etwas schien sie auf dem Herzen zu haben, aber es dauerte, bis sie es endlich herausbrachte: »Den Baum – ich meine, haben Sie den Baum schon geputzt? Sie haben so eine schöne Tanne gekauft.«
»Ja, den hat meine Frau schon heute mittag geschmückt.«
»Ich hab ja keinen Baum, wissen Sie.« Sie machte eine Pause. »Ich tät das irgendwie unpassend finden – so – bei meinem Beruf.«
Jetzt wußte Arthur erst recht nicht, was er sagen sollte.
»Dabei hab ich das sehr gern. Weihnachten und einen geschmückten Baum und so –«, sie lächelte ihn an. »Ich will Sie ja nicht stören und schon gar nicht aufhalten. Weil – ich weiß, Sie haben ja Besuch. Aber vielleicht – kann ich nur ganz kurz – darf ich ihn mal anschauen?« Jetzt war es heraus.
»Aber natürlich«, sagte Arthur. »Gern. Kommen Sie nur. Nein, Sie stören nicht. Wir haben ja noch gar nicht angefangen.«
Rita schaute kurz und kritisch an sich herunter, strich eine imaginäre Falte am brokatenen Rock glatt und trat ein.
»Darf ich bekannt machen«, sagte Arthur. »Das ist unsere Nachbarin, Frau Rita. Wir wohnen sozusagen Wand an Wand«, setzte er erklärend hinzu. »Und das sind meine Eltern. – Darf ich Ihnen etwas anbieten? Einen Sherry? Oder einen Kognak? – Bitte setzen Sie sich doch.«
Jetzt war Rita überhaupt nicht mehr verlegen. Sie bewunderte den Baum und wollte sich eigentlich gar nicht setzen, weil sie doch nicht stören wollte. Notfalls einen kleinen Kognak, aber nur einen ganz kleinen! Dann fragte sie Arthurs Eltern, wie ihnen Wien gefalle. Sie seien eben erst angekommen, sagten sie. Aber ein paar Tage würden sie ja bleiben. Da gibt es noch genügend Zeit, etwas anzusehen.
Die Unterhaltung kam gut in Schwung und riß nicht ab. Es wurde richtig gemütlich. Nach drei weiteren Kognaks holte Marjon Weingläser, und Arthur machte die erste Flasche Grünen Veltliner auf. Es war schon nach sechs Uhr, als es plötzlich wieder an der Tür klingelte. Arthur ging hinaus und sah nach. Vor der Tür stand ein Herr in einem eleganten grauen Flanellmantel mit einem kleinen Weihnachtspäckchen in der Hand.
»Entschuldigen Sie, daß ich bei Ihnen läute«, sagte der Herr im Mantel. »Ich wollte nach nebenan. Die Wohnungstür steht offen, aber es ist niemand da. Ich suche nämlich die Frau Rita. Wir sehen uns ja nur noch selten. Doch Weihnachten, wissen Sie, das ist schon Tradition, da schenke ich ihr halt immer eine Kleinigkeit.«
»Ach ja – natürlich«, sagte Arthur etwas verdutzt. »Die Frau Rita ist bei uns. Kommen Sie doch rein. Wir trinken gerade ein Glas Wein.«
»Ich will aber nicht stören«, sagte der Herr und hob – wie zur Erklärung, daß er nun leider doch stören müsse – sein Weihnachtspäckchen hoch. Dann trat er ein. Als er den Hut abnahm, sah man, daß er rötlich-blonde Haare hatte.
»Kommen Sie bitte weiter«, sagte Arthur.
Drinnen schien niemand überrascht zu sein, daß da noch ein Besuch am Heiligen Abend kam. Am wenigsten Rita.
»Darf ich vorstellen«, sagte sie. »Das ist Herr B.« Und Arthur, der Herrn B. zwar noch nicht kannte, aber schon etwas von seiner Existenz gehört hatte, fügte hinzu: »Ein bekannter Geschäftsmann aus Wien.«
Marjon holte ein weiteres Weinglas, und man saß wohl noch eine Stunde gemütlich beisammen.
Als Arthurs Mutter schließlich anregte, die Kerzen am Baum anzuzünden, stand Herr B. auf und entschuldigte sich. Nun müsse er doch nach Hause. Seine Familie werde sicher schon mit dem Karpfen warten. Auch Rita brach auf. Mit ihrem Weihnachtspäckchen in der Hand verabschiedete sie sich von jedem einzelnen und bedankte sich für den »schönen, gemütlichen Abend«. Und hoffentlich hätten sie nicht gestört …
»Wirklich, reizende Leute waren das«, sagte Arthurs Mutter, als sie wieder allein waren. »Und eine attraktive und unterhaltende Nachbarin habt ihr«, fügte sein Vater hinzu.
Marjon und Arthur fanden das auch. Und dabei blieb es. Ihren Eltern weitere Erklärungen oder Ergänzungen zu geben, fanden sie völlig überflüssig. Der Name »roter Heinz« hätte ihnen ohnehin nichts gesagt.
HUGO WIENER: Eine schöne Bescherung
HUGO WIENER
Eine schöne
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