Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen
Bescherung
Pinagls gaben eine Weihnachtsparty. Sie haben zwei süße Kinder, Susi, sechs, und Paul, acht –warum also nicht? Wenn wir, meine Frau und ich, Kinder hätten, würden wir vielleicht auch eine Weihnachtsparty geben. Weihnachten ist ja das Fest für die lieben Kleinen. Sie zeigen einander die neuen Spielsachen, jedes hätte lieber das des anderen, sie beginnen zu streiten und zu weinen, bis sie, zum Vergnügen der Erwachsenen, in ihre Betten geschickt werden. Aber ich will nicht vorgreifen.
Als wir ankamen, waren bereits zwei andere Ehepaare da: unser Anwalt, Dr. Robinson mit Gattin, sowie Herr und Frau Wimmer mit einem reizenden, ungefähr sieben Jahre alten Jungen, den sie bald »Bubi«, bald »Liebling«, bald »Engel« und bald »Schönheit« riefen. Wie er wirklich hieß, weiß ich bis heute nicht.
Wir versammelten uns in Pinagls Arbeitszimmer und tranken Sherry. Plötzlich klingelte das Christkind. Frau Pinagl öffnete die Tür zum Wohnzimmer – wir waren geblendet. Unter einem Plastikbaum mit Plastikkerzen lagen für Susi eine Plastikpuppe, eine Plastikküche und eine Plastikpuppenkücheneinrichtung – für Paul eine Plastikeisenbahn, ein Plastikfeuerwehrauto und ein Plastik-MG. Bubi bekam eine Plastiktrompete, Plastikindianer und Plastikcowboys.
Dazu klang es vom Plattenspieler her »I can give you anything but love, baby«, gesungen von Louis Armstrong. Frau Pinagl hatte die Platte verwechselt. Sie wollte eigentlich »Stille Nacht, heilige Nacht« spielen. Pinagl warf seiner Frau einen unweihnachtlichen Blick zu, die Platte wurde ausgewechselt, und im Nu war die feierliche Stimmung wiederhergestellt. Die Kinder stürzten sich auf ihre Plastikspielsachen, es war rührend, und ich fühlte, wie sich eine Plastikträne in mein Auge stahl.
Nun wurden die Erwachsenen beschert. Pinagl schenkte mir eine Krawatte, die – wie ausgesucht – zu keinem meiner Anzüge paßte, meine Frau bekam einen Brieföffner, auf dem »Gruß aus Ischl« stand. Wer sie aus Ischl grüßen ließ, haben wir nie erfahren. Wir schenkten Pinagls einen Salz- und Pfefferstreuer, den sie wahrscheinlich nie verwenden werden. Sie waren sehr häßlich. Robinsons bekamen von Pinagls einen Wandteller und schenkten Pinagls dafür die kleine Vase, die wir im Vorjahr den Pfandls geschenkt hatten. Ich erkannte sie an dem Sprung, den sie hatte. »Entschuldigt«, hatte ich damals gesagt, »das muß mir beim Einpacken passiert sein!« So etwas konnte nur mir einfallen. Ich bin ein Schlauer! »Entschuldigt«, hörte ich im selben Moment Robinson sagen, »das muß mir beim Einpacken passiert sein!« Meine Frau mußte lachen. Sie sagte, aus Freude über den Brieföffner.
Die Wimmers bekamen einen kleinen Elefanten – es war derselbe, den beim letzten Weihnachtsfest die Wolfs den Pinagls geschenkt hatten – und brachten Susi dafür ein Bilderbuch und Paul ein zeitgemäßes Puzzlespiel: »Vereinte Nationen.« Wie immer man es zusammensetzte, war es falsch. Bubi bekam »Der kleine Bastler: Wie baue ich eine Atombombe?« Er befaßte sich sofort damit, und in 10 Minuten gab es eine Explosion. Menschenleben gab es keine zu beklagen, aber wir alle hatten schwarze Gesichter. Bubi scheint die Gebrauchsanweisung nicht richtig gelesen zu haben. Aber alle lachten und verwünschten innerlich den kleinen Bastler und den, der ihm dieses Geschenk gemacht hatte. Daß die kleine Perserbrücke Feuer fing und verbrannte, störte mich nicht. Es war mir noch rechtzeitig gelungen, die Krawatte, die Pinagls mir geschenkt hatten, unbemerkt in die Flammen zu werfen.
Zum Essen gab es Geflügelcremesuppe, Truthahn, eine Eisbombe – und dazu ein Blaskonzert für Plastiktrompete, alternierend ausgeführt von den Geschwistern und Herrn Bubi Wimmer. Schließlich wollte Bubi seine Trompete nicht mehr aus der Hand geben, die Kinder stritten und weinten (siehe oben), und Susi und Paul wurden zu Bett geschickt. Bubi suchte für den Rest des Abends die Trompete, die ich, während des Abgangs der Pinaglkinder, geschickt mit dem Fuß unter die Couch gestoßen hatte.
Um Mitternacht brachen wir auf. »Ich möchte euch für den reizenden Abend danken«, sagte ich zu Pinagls und dachte dabei: »Aber ich kann es nicht!« Wimmers und Bubi empfahlen sich ebenfalls. Dr. Robinson und Frau bestanden darauf, uns in ihrem neuen Wagen nach Hause zu bringen. »Das ist nicht nötig«, sagten wir, »wir wohnen keine zehn Minuten von hier, und ein kleiner Spaziergang ist ganz gesund.«
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