Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen

Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen

Titel: Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Sinhuber (Hrsg)
Vom Netzwerk:
ziemlich kleiner Junge kam ihr entgegen, er stapfte durch den Schnee, bei dem es doch nicht viel zu stapfen gab, und heulte. Er wollte an ihr vorbei, aber sie tippte ihm energisch auf die Schulter.
    »He, du! Hast du dich verlaufen?«
    Der Junge sah eher wütend als ängstlich aus. Er musterte die fremde Frau mit rot unterlaufenen Augen. »Natürlich nicht! Ich kenn‘ mich doch aus!«
    »Und warum bist du dann nicht zu Hause?«
    »Weil ich abgehauen bin! Ich halt‘ das nicht mehr aus mit meinen Eltern!« Er stampfte sogar mit dem Fuß auf.
    »Weshalb?« fragte sie besorgt.
    »Weil sie sich zanken!«
    »Heute?« fragte sie verwundert.
    »Und wie!« stieß der Junge hervor. »Angeschrien haben sie sich! Endlos! Und jetzt reden sie gar nicht mehr miteinander! Die sind doch bescheuert!«
    Hm. »Tausend Kindlein stehn und schauen, sind so wundervoll beglückt.« Joseph von Eichendorff hätte den Burschen sehen müssen. Von Sanftheit keine Spur. Aber immerhin war er in Schwierigkeiten, man mußte ihm helfen.
    »Wie heißt du denn?«
    »Stupsi.«
    »Ich meine richtig.«
    Er schien nachzudenken. »Thomas«, sagte er dann. »Thomas Krieger.«
    »Auch das noch«, murmelte Maria Friese. »Und wie alt bist du?«
    »Fünf Jahre und drei Monate«, sagte er, nun schon ganz friedlich. »Also fast sechs.«
    Sie nickte. »Wenn du willst, geh‘ ich mit dir zu deinen Eltern und bring‘ das in Ordnung.«
    Die Kriegers wohnten drei Häuserblocks weiter, und die Stimmung war wirklich schlecht in der Wohnung.
    »Ich bring‘ Stupsi«, sagte Maria Friese zu dem blonden und ebenso hilflos wie tapsig aussehenden Familienoberhaupt.
    »Vielen Dank.«
    Aus dem Schlafzimmer hörte man heftiges Schluchzen. Maria Friese deutete hinüber. »Kann ich Ihrer Frau helfen?« fragte sie ohne Umschweife. »Ich habe drei erwachsene Töchter.«
    »Das schaffen Sie doch nicht!« rief der blauäugige Endzwanziger erbittert.
    »Was ist passiert?« fragte sie, als hätte sie ein Recht, das zu fragen. Und Herr Krieger gab Auskunft. Seine Frau hatte sich übernommen. Seit Wochen hatte sie Päckchen gepackt, für Verwandte in Cham, für die Eltern in Bremerhaven, für Freunde in Polen. Sie hatte Briefe geschrieben und war durch die Stadt gehastet, um Geschenke zu besorgen, sie hatte eine alte Oma, eine alte Tante und einen alten Onkel in ihren Altersheimen besucht und für die Feiertage die Lebensmittel eingekauft. Heute vormittag mußte sie auch noch Großreinemachen! Und nun war sie fertig mit den Nerven, »fix und foxi«, wie Stupsi sachlich ergänzte. Nein, das Fest, für das sie geschuftet hatte, konnte sie nun nicht mehr genießen.
    Maria Friese ging ins Schlafzimmer hinüber und sah im Halbdunkel eine zarte Gestalt mit angezogenen Beinen auf dem Bett liegen. Maria Friese setzte sich kurzerhand an den Bettrand. »Das kriegen wir in Ordnung«, sagte sie beruhigend. Linda Krieger schien die Anwesenheit dieser Fremden als gegeben hinzunehmen. »Ich sprech‘ nicht mehr mit ihm!« rief sie. »Ich laß mich scheiden!«
    »Aber vorher sollten Sie noch einmal zusammen Weihnachten feiern«, schlug Maria Friese vor. Die junge Frau hob den Kopf und starrte die Fremde mit den grauen Haaren an. Sie schüttelte verzweifelt den Kopf. »Mit dem da …« Dabei hatte der Bär da draußen ganz lieb ausgesehen.
    »Naja, wenigstens Stupsi hätte nicht so einen unheiligen Abend verdient«, sagte Maria Friese mahnend.
    Die junge Frau schluchzte auf. »Ist ja doch alles verpatzt«, rief sie. »Die Kerzen sind kaputt! Und das Essen – alles hin.«
    »Das seh‘ ich mir gleich mal an«, sagte Frau Friese. »Ruhen Sie sich noch ein Viertelstündchen aus. Dann machen Sie sich zurecht und holen Stupsis Geschenke. Und dann geht‘s los.«
    Maria Friese ging in die Küche und sah den zerfallenen Karpfen im Topf. Er hatte zu lange gekocht, aber hübsch hergerichtet würde er ein ausgezeichnetes Fischgericht abgeben. Sie schaltete die Herdplatte ein, auf der die Kartoffeln standen, zerließ Butter und holte Gewürze aus dem Wandschrank. In Küchen kannte sie sich aus.
    Dann deckte sie den Tisch, das sah festlich aus, so kann es Linda nicht, dachte Peter Krieger anerkennend.
    »Gleich geht‘s los!« rief ihm Maria Friese zu, während er bedauernd die elektrischen Kerzen wegräumte.
    »Sie kommt ja doch nicht!« sagte er trotzig. Aber fünf Minuten später erschien Linda Krieger, blaß und durchsichtig, und statt des ramponierten Nervenkostüms trug sie ein hübsches schwarzes

Weitere Kostenlose Bücher