Wenn der Eukalyptus blüh dorothea1t
nur ordentlich zerkratzt«, sie hob zur Demonstration die von roten, entzündeten Kratzern übersäten Hände. » Außerdem bin ich ungeschickt gefallen und habe mir dabei wehgetan.« Absichtlich vermied sie jede Erwähnung des unheimlichen Schwarzen. Hatte Heather ihn bei ihrer überstürzten Flucht ins Haus überhaupt bemerkt?
» Bist du jetzt sehr krank?« Die dunklen Wimpern hoben sich, und sie sah Dorothea scheu an.
» Nicht sehr«, antwortete die betont zuversichtlich. » Ich bin sicher bald wieder auf den Beinen.«
» Was ist ein Abort?«
» Wieso fragst du das?«
» Tante Bella und Mrs. Perkins haben sich darüber unterhalten«, flüsterte Heather bedrückt. » Ist das etwas Schlimmes?«
Unsicher sah Dorothea in die Augen ihrer Stieftochter. Wie sollte sie einer Sechsjährigen eine Fehlgeburt erklären? Ganz kurz spielte sie mit dem Gedanken, Heather mit ihrer Frage zu Lady Chatwick zu schicken. Aber sie hatte sie gefragt. Also räusperte sie sich und sagte: » Du weißt doch, dass in meinem Bauch ein Geschwisterchen gewachsen ist? Wenn ein Kind zu früh zur Welt kommt– wenn es noch nicht an der Zeit ist–, dann nennt man das einen Abort oder eine Fehlgeburt.«
» Wie bei den Kühen? Wenn sie das giftige Gras gefressen haben?« Es war Heather anzusehen, dass es in ihrem Kopf heftig arbeitete, deshalb sagte Dorothea rasch: » Würdest du so lieb sein und Mrs. Perkins fragen, ob die Brühe fertig ist? Ich habe schrecklichen Hunger.«
Das war zwar gelogen, in Wirklichkeit bereitete ihr schon der bloße Gedanke an Essen Übelkeit, aber sie fühlte sich einfach nicht imstande, gerade jetzt Heathers bohrende Fragen zu den Analogien zwischen Kühen und Menschen zu beantworten.
Ihr Mann reagierte erwartungsgemäß zutiefst betrübt. Obwohl er sich nach Kräften bemühte, es zumindest Dorothea gegenüber nicht zu zeigen, spürte sie seine tiefe Trauer über den Verlust. Er schien davon auszugehen, dass ihre Trauer naturgemäß noch größer sein musste, und stürzte Dorothea damit in tiefste Verlegenheit. Sie hatte dem Kind sowieso ambivalent gegenübergestanden: Einerseits hatte Roberts Vorfreude sie gerührt, andererseits war dies Kind ihr immer als eine Art Fremdkörper in ihrem eigenen erschienen. Ihm eingepflanzt ohne ihre Einwilligung. Es war ihr unmöglich gewesen, es als Geschenk Gottes anzusehen. Aber die Erleichterung, die sie jetzt empfand, durfte sie auf keinen Fall zeigen. Ein weiteres Geheimnis, das ihr einiges an Verstellung abverlangte.
» Die arme, kleine Madam ist so tapfer«, hörte sie Trixie einmal sagen. » Ich weiß nicht– ich glaube, ich würde immerzu weinen, wenn mir so etwas passiert wäre.«
» Beim Nächsten wird Master Robert schon darauf achten, dass sie es nicht verliert«, meinte Mrs. Perkins darauf. » Sie werden noch viele Kinder bekommen, warte nur ab.«
Etwas Ähnliches äußerte auch Lady Chatwick bei einem ihrer Krankenbesuche. » Nur gut, dass du so schnell wieder zu Kräften kommst«, stellte sie zufrieden fest und musterte Dorothea so ungeniert, als sei diese ein Pferd auf dem Markt. » Es hätte dem armen Robert schwer zu schaffen gemacht, wenn du jetzt auch kränklich geworden wärst wie…« Als ihr einfiel, dass es wohl nicht sehr taktvoll war, jetzt Roberts erste Frau zu erwähnen, schlug sie die Hand vor den Mund und sah Dorothea schuldbewusst an. » Entschuldige, ich plappere wieder so gedankenlos vor mich hin. Du bist ja vollkommen anders als sie. Deshalb trägt er dich ja auch auf Händen.«
Tatsächlich war er so besorgt um Dorothea, dass sie es allmählich als einengend empfand. Das Gefühl, ständig unter Beobachtung zu stehen, machte sie ganz nervös. Vielleicht tat es ihr gut, einen Spazierritt zum Lager des Nachbarstammes zu machen. Insgeheim hoffte sie, dort etwas über den Skelettmann zu erfahren.
Doch so bereitwillig Robert allen bisherigen Wünschen entgegengekommen war, ihre Ankündigung, King George in seinem Lager besuchen zu wollen, stieß auf seine entschiedene Ablehnung. » Wozu soll das gut sein? Du willst ihn doch nicht noch in seinem Aberglauben bestärken, indem du ihm von deinen Traumgespinsten erzählst?«
Leicht verärgert, dass er sie durchschaut hatte, erwiderte Dorothea patzig: » Wieso glaubst du, dass ich nichts anderes mit ihm zu besprechen haben könnte? Mr. Stevenson vom Register war durchaus interessiert an weiteren Berichten über die Eingeborenen. Vor allem über das Leben der Frauen ist nur wenig bekannt, weil man
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