Wenn der Eukalyptus blüh dorothea1t
Warum nur fühlte sie sich in seiner Gegenwart zunehmend gereizt?
Aus dem Mangel an passenden Gesprächspartnern heraus hatte sie begonnen, Tagebuch zu führen. In eines der schmucklosen Hamburger Hefte, die sie damals von ihrem ersten Honorar erstanden hatte, schrieb sie jetzt alles, was sie bewegte, und stellte sich dabei vor, zu Jane zu sprechen. Jane in ihrer absoluten Schamlosigkeit war die Einzige, der sie hätte anvertrauen können, dass sie die körperlichen Intimitäten so schmerzlich vermisste, dass sie launisch und unbeherrscht wurde. Immer häufiger ertappte sie sich dabei, dass sie die arme Trixie grundlos harsch anfuhr oder Heather für etwas tadelte, das eigentlich nicht der Rede wert war.
Weder der jedes Mal danach gefasste Vorsatz, sich zu bessern, noch ausgiebige Bibellektüre verhalfen ihr zu mehr Ausgeglichenheit. Umso erfreuter begrüßte sie den unerwarteten Besuch, den Trixie ihr mit den Worten ankündigte: » Ein überaus hübscher junger Mann möchte Sie sehen, Ma’am. Er sagte, er wäre Ihr Bruder.«
» August!« Sie sprang auf und rannte auf die hochgewachsene Gestalt in der Tür zu. » Was machst du denn hier?«
» Was für eine Frage! Dich besuchen natürlich, du Gans!« In brüderlicher Zuneigung erwiderte er ihre Umarmung. » Mutter meinte, jemand von der Familie sollte nach dir sehen. Also habe ich mich am Institut beurlauben lassen– und da bin ich.«
» Wie geht es Mutter? Und den anderen?« Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte sie Trixie, die immer noch August anstarrte. Offensichtlich war auch sie nicht unempfindlich gegenüber seiner Anziehungskraft auf das weibliche Geschlecht. » Ach, Trixie, bringen Sie meinem Bruder doch bitte einen Imbiss.– Du bist sicher halb verhungert, August, oder?«
» Das könnte man schon so bezeichnen. Ich bin ordentlich marschiert«, gab der ihr recht und warf Trixie einen treuherzigen Blick zu. » Wäre es möglich, Miss? Nur wenn es keine Mühe macht.«
» D…das macht überhaupt keine Mühe«, stammelte das Hausmädchen, wobei es bis an die Haarwurzeln errötete. » Ich bringe es Ihnen sofort.«
» Du glaubst gar nicht, wie ich mich freue, dich zu sehen«, sagte Dorothea und seufzte, während er sich am Waschtisch in ihrem Ankleidezimmer Gesicht und Hände wusch. » Die letzte Zeit habe ich euch schrecklich vermisst.«
» Wir dich auch«, erwiderte er schlicht. » Mutter macht sich große Sorgen. In der Stadt gehen Gerüchte, unter den Murray-Stämmen gäre es nach den Zwischenfällen am Rufus River gewaltig. Angeblich exerziert O’Halloran deshalb so eifrig, weil er mit einer Frühjahrsoffensive rechnet.«
» Hier? Bei uns?«
» Keine Ahnung. Aber ich hoffe, ihr seid vorsichtig.«
» Das sind wir«, versicherte Dorothea. Tatsächlich hatte Robert vor einigen Tagen angeordnet, dass die Hunde nachts frei laufen sollten und jeder der Männer stets ein geladenes Gewehr in Griffweite neben sich zu halten hatte. Allerdings hatte das weniger mit ihrem Skelettmann zu tun als mit den sich häufenden Viehdiebstählen. King George hatte eine Beteiligung daran für sich und seine Männer vehement abgestritten. Das bedeutete, wenn man ihm glaubte, dass es fremde Jäger sein mussten. Bisher waren nur Schafe verschwunden, aber Robert hegte die Befürchtung, dass ihre Erfolge sie zunehmend kühner werden ließen. Und der Verlust eines Pferds oder einer Kuh wäre deutlich schwerer zu verschmerzen.
» Mutter hatte die Idee, du und deine Stieftochter, ihr könntet uns für ein paar Wochen besuchen kommen. Was hältst du davon?«
» Das würde ich schrecklich gerne«, sagte Dorothea sehnsüchtig. » Es kommt mir wie eine wahre Ewigkeit vor, dass ich Vorträge und Konzerte besucht habe.– Apropos Vortrag: Was macht eigentlich dein Professor Menge?«
Augusts Augen glänzten plötzlich wie im Fieber. » Er hat mir angeboten, auf seine Sommerexpedition in den Norden mitzukommen. Er glaubt, dass es dort noch jede Menge Metallvorkommen zu entdecken gibt. Stell dir vor, Doro, wir würden dort Gold finden! Gold!« Vor lauter Begeisterung überschlug sich seine Stimme beinahe. » Wäre das nicht wunderbar? Ich könnte dann ein Haus in der Nordstadt kaufen, ein richtig mondänes mit Marmorsäulen vorn am Eingang und Granitstufen; nicht so ein armseliges wie das in der Angas Street.«
August haderte immer noch damit, dass die Schumanns für den Nachfolger von Pastor Teichelmann das geräumige Haus an der Missionsschule hatten räumen müssen. Da konnte
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