Wenn der Eukalyptus blüh dorothea1t
ihrem Zimmer aushielt. Sie zog ihr Reitkleid an und marschierte in den Stall.
» Ma’am?« John, der Stallbursche, sah erschrocken von den Kandaren auf, die er gerade polierte.
» Sattle mir bitte Molly«, sagte sie und klopfte ungeduldig mit der Gerte gegen ihren Stiefel. » Ich will versuchen, Sam und Heather noch einzuholen. Weißt du, in welche Richtung sie geritten sind?«
» Jaa, schon«, erwiderte der junge Mann mit sichtlichem Unbehagen. » Sie wollten zur Nordweide. Aber… sind Sie sicher, Ma’am, dass Sie wirklich alleine loswollen?«
» Natürlich. Sie können noch nicht weit sein«, sagte Dorothea. » Was soll da schon passieren?«
John wirkte nicht überzeugt, wagte jedoch keine weiteren Einwände vorzubringen. Dorothea war in den vergangenen Wochen zwar keine versierte Reiterin geworden, fühlte sich aber inzwischen hinreichend sicher auf einem Pferderücken. So zögerte sie keinen Augenblick. Sobald John Dorotheas fertig gesattelte Stute zum Aufsteigeblock führte, saß sie auf und trieb das Tier auch gleich zu einem flotten Trab an. » Hetzen Sie sie besser nicht zu sehr, Ma’am«, rief ihr der Stallbursche noch hinterher. » Wenn sie erschöpft ist, wird sie bockig.«
Dorothea hob die Hand mit der Gerte, um ihm zu signalisieren, dass sie ihn gehört hatte, und verlangsamte die Gangart. John hatte recht. Es hatte wenig Sinn, das Tier bis zur Erschöpfung anzutreiben. Sie würde auch so noch schnell genug Sam und Heather einholen. Ihre Stute Molly war ein hochbeiniges, auf Schnelligkeit gezüchtetes Araberhalbblut. Heathers Princess dagegen ein kurzbeiniges, stämmiges Pony, und auch Sam hatte natürlich wieder den alten Wallach genommen, der eigentlich nur noch sein Gnadenbrot auf Eden-House erhielt.
Die Nordweide lag etwa zehn Meilen von Eden-House an einem Zufluss in den Murray River, der im Frühling reichlich Wasser führte und so den Schafen das nötige Trinkwasser bot. Soviel Dorothea wusste, gab es dort eine kleine Station, die in regelmäßigen Abständen mit Vorräten versorgt wurde und in der sich die Hirten aufhielten, wenn sie nicht Dienst im Busch hatten.
Sie überließ es Molly, sich ihren Weg durch das niedrige Mallee-Gestrüpp zu suchen. Solange sie die Richtung beibehielt, konnte sie sich nicht verirren. Zu ihrer Erleichterung ließ die unerträgliche Anspannung in ihr langsam nach. Dieser Ausritt war eine gute Idee gewesen, um sich abzulenken. Aber allmählich mussten doch in der Ferne Heather und Sam auszumachen sein? Das Gestrüpp hier war nicht hoch. Man hätte ein Pferd schon von Weitem sehen müssen. Hatten sie sich vielleicht für einen Umweg entschieden? Dorothea reckte sich im Sattel, und tatsächlich: Etwa eine halbe Meile vor ihr waren undeutlich einige Silhouetten zu erkennen, die sich sehr langsam auf sie zubewegten. Das mussten sie sein. Lahmte vielleicht eines der Pferde? Oder war etwa Heather etwas passiert? Dem Wildfang war zuzutrauen, dass er sein Pony überfordert hatte.
Dorothea trieb Molly zu einem Galopp an, und als hätte das Tier ihre Besorgnis gespürt, stürmte es bereitwillig vorwärts. Im Näherkommen sah sie, dass Heather munter und unverletzt auf ihrer Princess thronte. Aber der alte Wallach, den Sam am Zügel führte, hinkte stark.
» Was ist geschehen?«, rief sie schon von Weitem.
» Hat sich etwas eingetreten«, brummte Sam. » Das da.« Er griff in seine Westentasche und demonstrierte ihr auf seiner Handfläche einen seltsamen Gegenstand. So etwas hatte Dorothea noch nie zuvor gesehen: In dem getrockneten, runden Tonklumpen staken jede Menge spitzer Stacheln aus Knochen oder ähnlichem Material. » Die Furt dahinten war voll davon«, sagte Sam mit unterdrückter Wut. » Jemand muss die mit Absicht dort verteilt haben. Wahrscheinlich wieder eine schwarze Teufelei. Jedenfalls sind wir sofort umgekehrt. Ich freu mich schon drauf, mir diesen Halunken, diesen King George vorzuknöpfen!«
» Das wird warten müssen. Sie haben heute Morgen in aller Eile ihr Lager verlassen. Aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass King George seinen Leuten so etwas erlauben würde.« Dorothea betrachtete die improvisierte Wolfsangel mit Abscheu.
» Wahrscheinlich nicht. Aber wenn er abgehauen ist, wette ich, dass er weiß, wer es war.« Sams steingraue Brauen zogen sich finster zusammen. » Na warte, Freundchen!«
Plötzlich schnaubte der alte Wallach und warf den Kopf hoch. Auch Molly begann, hin und her zu tänzeln. » He, he, he«,
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