Wenn der Eukalyptus blüh dorothea1t
Lauf.
Lischen hatte trotz ihrer Proteste mit zurückfahren müssen. Da hatte Mutter Schumann nicht mit sich handeln lassen. Lady Chatwick hatte sich überraschend angeschlossen. Die Aussicht, ein derart einmaliges gesellschaftliches Ereignis wie die Hochzeit von Protector Moorhouse und seiner Braut miterleben zu können, hatte sie ihre ausgeprägte Trägheit überwinden lassen. » Ich hoffe nur, dass bis dahin ihr bestes Kleid nicht mehr so nach Mottenkugeln riecht«, bemerkte Mrs. Perkins spitz. » Sonst werden alle in der Kirche schrecklich niesen.« Karl und Koar waren noch da. Sie würden bis zum Ende ihrer Ferien auf Eden-House bleiben und dann zu Fuß die Rückreise antreten.
Sie alle winkten der Reisegesellschaft hinterher, bis die Kutsche, eine rötliche Staubwolke hinter sich herziehend wie einen Kometenschweif, im lichten Unterholz verschwunden war.
Karl und Koar hatten sich mit einigen jungen Männern aus dem Lager von King George verabredet. Gemeinsam wollten sie mit Kanus den Murray River hinunterfahren bis zu einer Stelle, an der es besonders lohnend sein sollte, die Netze auszuwerfen. Heather hatte Sam dazu überredet, mit ihr einen längeren Ausritt zu unternehmen. » Ich will doch wissen, wie Princess im Gelände geht«, hatte sie erklärt.
Erleichtert darüber, zumindest für die nächsten Stunden von niemandem gestört zu werden, ging Dorothea langsam in ihr Zimmer zurück. Ein Blick in den Spiegel zeigte ihr ein ungewöhnlich blasses Gesicht mit immer noch leicht geschwollenen Tränensäcken, obwohl sie extra früher aufgestanden war, um die geröteten Augen mit kaltem Wasser zu baden. Müde hob sie die Hand, um eine lose Haarsträhne festzustecken, als ihr auffiel, dass es ungewöhnlich ruhig draußen war. Es war noch zu früh am Tag, als dass sich ein Gewitter hätte ankündigen können, aber genauso fühlte es sich an. Die spärliche Feuchtigkeit der Nacht war unter der gnadenlosen Sommersonne bereits verdampft, und die bleierne Hitze lag jetzt wie ein schweres Federbett über dem Land. Dorothea trat ans Fenster, um den Horizont nach Anzeichen von Gewitterwolken abzusuchen. Nichts. Im dunstigen Grau war auch nicht das kleinste Schleierwölkchen auszumachen. Dafür weckte etwas anderes ihre Aufmerksamkeit.
Im Lager von King Georges Stamm herrschte Aufruhr. Es lag zu weit weg, um Genaueres zu erkennen. Deutlich war aber, dass dort ein hastiger Aufbruch stattfand. Es wimmelte wie in einem aufgescheuchten Ameisenhaufen. Einige Frauen in den traditionellen Opossumumhängen, schwer beladen mit Tragenetzen samt Kleinkindern, marschierten bereits nach Norden. Andere waren noch damit beschäftigt, ihre Habe zusammenzupacken, angetrieben von den Männern, die wild mit ihren Waddies und Speeren herumfuchtelten. Dazwischen wuselten die Kinder und zahmen Dingos. Wenn es einen Grund dafür gegeben hätte, hätte man an eine Flucht denken können. Aber wovor sollten die Eingeborenen sich in Sicherheit bringen wollen? Weit und breit war nichts zu sehen, das ihnen einen solchen Schrecken eingejagt haben könnte.
Vermutlich wieder eine ihrer seltsamen Sitten. Sie würde später Koar fragen, aber jetzt bedrängten sie ganz andere Sorgen. Bisher war sie davon ausgegangen, alles würde gut, sobald sie nur erst ein Kind von Robert erwartete. Sie war fest davon überzeugt gewesen, dass ihre Nerven sich dann wieder beruhigen und das Eheleben sich schon einspielen werde. Nach dem Gefühlschaos, das allein der Gedanke an Ian gestern in ihr ausgelöst hatte, war sie sich da gar nicht mehr sicher. Wie sollte es weitergehen mit Robert und ihr, wenn sie jedes Mal, sobald sie im Bett die Augen schloss, Ians Gesicht vor sich sah?
Sie liebte Robert, rief sie sich selbst innerlich zur Ordnung. Sie musste sich nur noch größere Mühe geben, Ian zu vergessen, ihn ganz und gar aus ihren Gedanken zu verbannen. Mit der Zeit würde sein Bild schwächer werden, die Erinnerung verblassen, bis sie sein Wurfmesser betrachten konnte, ohne dass es schmerzte.
Was blieb ihr auch übrig? Robert war ein wunderbarer Mann. Er konnte nichts dafür, dass sie ihm gegenüber eher wie einem Bruder oder Lieblingsonkel empfand. Ein verrückter Impuls durchzuckte sie: Was, wenn sie einfach alles hinter sich ließ und sich Ian anschloss? Sie konnte sich als blinder Passagier einschleichen, niemand müsste etwas erfahren. Sie wäre einfach auf rätselhafte Weise verschwunden.
Der verlockende Gedanke quälte sie so, dass sie es nicht mehr in
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