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Wenn der Golem erwacht

Wenn der Golem erwacht

Titel: Wenn der Golem erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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durchgepflügten Boden.
    In der Sekunde, die ich oben auf dem Zaun hockte, hatte ich noch einmal die blonde Frau angesehen und bemerkt, wie sie mit dem Zeigefinger nach unten deutete. Dabei sah sie mich an, als wollte sie mir ein Zeichen geben. Ich hatte keine Ahnung, was das bedeuten sollte, und auch keine Zeit, mir darüber Gedanken zu machen. Vor dem Tor hörte ich die Schritte und Stimmen der Verfolger.
    Ich lief auf den Rohbau eines lang gestreckten Gebäudes zu und tauchte in seinen Schatten ein. Verborgen hinter einem ockerfarbenen Baucontainer, spähte ich zum Tor hinüber. Alle vier waren herübergeklettert, und ein leiser Fluch, das schmutzige Gelände betreffend, hallte über den Platz. Die Männer teilten sich auf, und einer kam direkt auf mich zu. Es war der mit dem Feuermal. In der Rechten hielt er eine schwarze Automatik.
    Mein Gehirn mochte beschädigt sein, aber es arbeitete noch gut genug, um innerhalb weniger Sekunden meine Chancen abzuwägen. Eine Flucht hätte mich verraten. Der Typ mit der Automatik hätte meine Schritte gehört. Verhielt ich mich dagegen still, konnte es mir gelingen, ihn zu überrumpeln.
    Langsam und, wie ich hoffte, lautlos zog ich mich tiefer in den Rohbau zurück, bis der Blickkontakt zu meinem Verfolger unterbrochen war. Aber ich konnte ihn trotzdem sehen, durch die Hauswand hindurch. So erschreckend und unerklärlich diese Fähigkeit an sich war, für mich war sie außerordentlich wertvoll. Ich zog meinen Revolver und beobachtete die fluoreszierende Gestalt.
    Der helle Schemen trat näher, umrundete den Container und blieb plötzlich stehen, um sich zu bücken. Er musste etwas auf dem Boden gesehen haben. Einen Fußabdruck? Das war nicht unwahrscheinlich. Der Boden war unbefestigt und vom häufigen Regen der letzten Tage aufgeweicht. Wenn es so war, führte vermutlich eine Spur direkt zu meinem Versteck.
    Ich setzte auf den Überraschungseffekt und sprang nach draußen. In diesem Moment richtete sich der andere auf und sah mich erstaunt an. Sein herabhängender rechter Arm fuhr hoch, und er zielte mit der Automatik auf mich. Da war ich auch schon bei ihm und zog meinen Revolver über seinen Schädel.
    Mit einem unterdrückten Stöhnen sackte er zusammen, gab aber noch einen Schuss ab. Die Kugel klatschte irgendwo hinter mir in eine Wand des Rohbaus. Trotzdem war der Schuss für mich verhängnisvoll. Die drei anderen wussten jetzt, wo ich zu finden war.
    Ohne mich weiter um den am Boden Liegenden zu kümmern, lief ich an dem Rohbau entlang tiefer in das Baugelände hinein. Von rechts näherte sich ein Verfolger mit gezogener Waffe. Ihn und seine heiser hervorgestoßene Aufforderung stehen zu bleiben ignorierend, drückte ich mich zwischen das Stahlgeflecht eines großen Baukrans.
    Aus der Richtung des anderen Mannes stach ein feuriger Blitz durch die Nacht, und hoch über mir schrammte die Kugel am Kran entlang. Das kreischende Geräusch vermischte sich mit der Detonation des Schusses.
    So schlecht konnte man selbst in der Nacht nicht zielen. Mir war sofort klar, dass der andere die Kugel absichtlich viel zu hoch platziert hatte. Er wollte mich warnen und gleichzeitig die anderen herbeilocken. Warum hatte er nicht auf mich geschossen? War es ihnen so wichtig, mich lebendig zu bekommen?
    Ich lief auf einen betonierten Bereich zu und erkannte, dass dort eine Treppe nach unten führte.
    Nach unten!
    Ich sah wieder die Blondine vor mir, wie sie mit dem Zeigefinger abwärts deutete. Hatte sie mich auf diese Treppe aufmerksam machen wollen? Die Stimmen hinter mir ließen mir nicht viel Zeit zum Überlegen.
    Über die Treppe hastete ich in die Tiefe. Hier unten brannte kein Licht, und ich war froh über den rätselhaften Radarsinn, der mich durch Gänge und über Treppen leitete. Die Schritte hinter mir machten deutlich, dass ich meine Verfolger nicht abgeschüttelt hatte.
    Längst hatte ich die Orientierung verloren, aber ich vermutete, dass die Gänge zur Tiefgarage unter dem Potsdamer Platz führten. Sie sollten die um den INTEC-Tower entstehenden Gebäude vermutlich mit der Garage verbinden.
    Schwacher Lichtschein glomm vor mir auf und wurde stärker, als ich um eine Biegung lief. Noch eine Biegung, und ich fand meine Annahme bestätigt. Der Gang mündete in eine große, von Leuchtstoffröhren erhellte Garage mit Hunderten von Einstellplätzen, die nur teilweise belegt waren.
    Ein Motorgeräusch drang an meine Ohren, wurde lauter, und über eine Rampe schoß ein dunkelblauer

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