Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn der Golem erwacht

Wenn der Golem erwacht

Titel: Wenn der Golem erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
Vom Netzwerk:
viel mehr über Sie, noch nicht mal, ob das Ihr richtiger Name ist. Und den hätte ich gern gewusst.«
    Ich auch, und wie gern!
    Deshalb sagte ich: »Ein Vorschlag zur Güte, Rica: Sie erzählen mir alles, was Sie über mich wissen. Und dann erzähle ich Ihnen alles, was ich über mich weiß.«
    Sie sah mich reichlich erstaunt an. »Das ist jetzt ein Scherz zur Morgenstunde!«
    »Wieso?«
    »Robert Fuchs gilt als ungefähr so öffentlichkeits- und pressefreundlich wie der späte Howard Hughes. Ihnen ist doch klar, dass ich Sie nur abgeschleppt habe, um eine große Story über Sie zu schreiben.«
    »Eine Enthüllungsstory natürlich.«
    »Natürlich«, bestätigte sie vollkommen ernst.
    »Und exklusiv soll sie wohl auch sein, Ihre Story?«
    »J-ja, wenn möglich«, stotterte sie, offenbar überrascht davon, wie einfach sich ihr Wunsch zu erfüllen schien.
    »Na gut, einverstanden. Aber erst müssen Sie plaudern, dann ich!«
    »Ist mir Recht«, sagte sie. »Aber wieso wollen Sie mir die Story geben?«
    »Sie haben den Revolver, schon vergessen?«, grinste ich sie an. »Also, schießen Sie los! Wer bin ich?«

 

    11
    D er Leitzordner war auf dem Rücken mit fetten blauen Filzstiftbuchstaben markiert: FUCHS.
    Rica Aden zog ein Foto heraus und legte es vor mir auf die Bettdecke. Es zeigte ein Beduinenlager in einer zerklüfteten Berglandschaft. Fünf Männer saßen vor einem großen Zelt und waren augenscheinlich in eine angeregte Diskussion vertieft. Vier dieser Männer trugen Beduinentracht, hatten Patronengürtel um die Brust geschnallt und lässig ihre Kalaschnikows auf die Knie gelegt. Der fünfte Mann trug eine Outdoorweste über einem karierten Hemd mit hochgekrämpelten Ärmeln. Trotz seines Dreitagebarts und der Sonnenbrille war er als Europäer zu erkennen. Denn deutlich erkannte ich auf dem Foto das Gesicht, das ich bei jedem Blick in einen Spiegel sah.
    »Die erste Aktion, bei der Robert Fuchs aktenkundig geworden ist«, begann die Journalistin. »Republik Jemen 1996. Ein lokaler Beduinenfürst hat einen gewissen Manfred Großpietsch und seine Frau Monika verschleppt und zwei Millionen US-Dollar Lösegeld verlangt. Großpietsch war Manager des deutschen Unternehmens Kradler Elektronik GmbH und sollte eine Zweigstelle im Jemen aufbauen. Die Bundesregierung und die Kradler GmbH haben in offiziellen Verlautbarungen jede Bereitschaft zur Zahlung eines Lösegelds zurückgewiesen und die Lösung der Frage der jemenitischen Regierung überlassen. Dann taucht dieser Mann, Sie, den damals niemand kannte, zu mehreren Gelegenheiten im Lager der Entführer auf. Nach dem vierten oder fünften Besuch, die Berichte widersprechen sich da, verlässt Fuchs das Lager in Begleitung der beiden Entführten. Es heißt, er hätte auf der Hinfahrt zwei große Koffer dabeigehabt, die auf der Rückfahrt fehlten. Stimmt das?«
    Ich begegnete ihrem forschenden Blick mit einem Pokerface. »Erst erzählen Sie! Das ist unsere Abmachung.«
    Sie blickte mich an, als sei ich ein wenig bescheuert. Vielleicht war ich das ja auch, aber das war im Augenblick mein kleinstes Problem.
    »Am Tag nach der Geiselbefreiung oder nach dem Freikauf, was immer es auch war, greift die jemenitische Luftwaffe das Beduinenlager an. Die Militärjets setzen Luft-Boden-Raketen ein und lassen nicht viel übrig. Man munkelt, in den Geldkoffern, die den Entführern übergeben wurden, hätten sich Peilsender befunden.«
    Rica Aden legte mir ein weiteres Foto vor: Dieselbe Berglandschaft, aber wo zuvor das Lager gestanden hatte, war nur Zerstörung und Grauen. Verbrannte Erde, verkohlte Leichen, Männer, Frauen und Kinder.
    »Die Angaben über die Zahl der Opfer schwanken zwischen fünfzehn und hundertfünfzig. Als die Sache durch die Medien geht, sehen sich Bundesregierung und Kradler GmbH starken Angriffen ausgesetzt. Sie wiegeln sofort ab und schieben jegliche Verantwortung der jemenitischen Regierung zu.« Sie tippte auf das erste Foto, auf mich. »Dieser Mann wird der Presse als Freund der Familie Großpietsch vorgestellt. Robert Fuchs, ein wohlhabender Geschäftsmann, der zurückgezogen in einer Villa am Tegernsee lebt.«
    Wieder ein Foto: Eine von einem hohen Zaun und dichtem Baumbewuchs umgebene Villa.
    »Das Foto wird zum Jahresende '96 an die Presse gegeben, zusammen mit einer kurzen Presseerklärung. Recherchen haben ergeben, dass die Villa erst einen Monat vorher auf Robert Fuchs überschrieben wurde. Vorher gehörte sie einem gewissen Siegfried Holtmann,

Weitere Kostenlose Bücher