Wenn der Golem erwacht
sagte ich lahm.
Sie sah mich missbilligend an und fuhr fort: »Machen wir's kurz. 1999 werden Sie in Moskau gesichtet, wo die russische Mafia droht, ein Jointventure zwischen INTEC und einer russischen Computerfirma platzen zu lassen, wenn nicht hohe Schutzgelder gezahlt werden. In der Folge sterben ein paar russische Paten und korrupte Politiker an Bleivergiftung, und das Jointventure findet statt wie geplant.
Februar 2000, man sieht Sie öfter in New York, dem Hauptsitz von INTEC. Es heißt, ein INTEC-Chairman werde wegen einer delikaten privaten Geschichte erpresst. Die ganze Sache löst sich scheinbar in Wohlgefallen auf. Eine Ihrer diskretesten Arbeiten.
Im Sommer dann Ihr Auftritt auf den Philippinen, wo Guérilleros eine ganze Touristengruppe verschleppt haben, darunter die Tochter eines französischen Diplomaten, dessen Bruder ein hohes Tier bei INTEC France ist. Sie tauchen mitten im Guerilla-Lager auf und nehmen das Mädchen als einzige der Geiseln mit. Kurz darauf versucht die philippinische Armee, die übrigen Geiseln gewaltsam zu befreien. Bei dem Feuergef echt sterben ein paar Soldaten, etliche Guérilleros und die meisten Geiseln. Ihr letzter bekannter Job.«
»Sie vermuten, dass das nicht alles war, Rica?«
»Ich halte es nur für die Spitze des Eisbergs.«
»Was wissen Sie noch über mich?«
»Nichts. Im Frühjahr diesen Jahres wurde mit großem Trara der INTEC-Tower eingeweiht. Eine der wenigen Gelegenheiten, wo man Sie bei einem offiziellen Anlass mit hohen Konzernmanagern und Politikern locker plaudern sah. Dann ist Schluss, Sie sind von der Bildfläche verschwunden. Und gestern Abend falle ich fast aus den Schuhen, als ich Sie am Potsdamer Platz sehe, auf der Flucht vor der SGB. Was ist passiert?«
Ich überging die Frage mit der besten Methode, mit einer Gegenfrage: »Was haben Sie dort getan?«
»Reine Routine, die Musical-Premiere. Ich soll einen Bericht für den nächsten ›Bärliner‹ schreiben. Zufällig sah ich Knaup, der sich auffällig unauffällig benahm und jemanden verfolgte, Sie!«
»Knaup?«
»Martin Knaup, einer von Kranz' schärfsten Hunden. Knapp einsachtzig groß, breite Schultern und ein roter Fleck auf der linken Wange.«
»Ich erinnere mich.«
»Sieht ganz so aus, als sei ich von einer lahmen Show-Premiere mitten in einen Politkrimi gestolpert.«
»Wollen Sie Ihren Premierenbericht nicht schreiben?«
»Ist längst geschehen, während Sie schliefen, und per E-Mail an die Redaktion gegangen. Im Übrigen habe ich mich für heute abgemeldet.«
Erschrocken fragte ich sie, welchen Grund sie angegeben habe.
»Keine Sorge, ich habe Sie mit keinem Sterbenswörtchen erwähnt. Glauben Sie, ich lasse mir meine Exklusiv-Story von den Kollegen wegschnappen?«
»Und was haben Sie erzählt?«
»Ein Virus hat mich wie aus heiterem Himmel gepackt.« Sie lächelte kalt. »Stimmt ja auch. Der Robert-Fuchs-Virus. Oder wie soll ich Sie nennen?«
»Ist okay so.«
»Keine Ausflüchte! Ich habe meine Vorleistung erfüllt. Jetzt sind Sie an der Reihe zu plaudern. Fangen wir am besten mit Ihrem wahren Namen an. Dass Robert Fuchs ein Alias ist, scheint mir sicher. Wie heißen Sie wirklich?«
»Ich hatte gehofft, das von Ihnen zu erfahren, Rica.«
Ihre Miene verdüsterte sich, und ihre Stimme nahm einen scharfen Unterton an: »Ich habe keine Lust, mich an der Nase rumführen zu lassen. Ein Anruf von mir, und in zehn Minuten steht die SGB vor der Tür!«
»Dann wäre Ihre schöne Story im Eimer.«
»Nicht unbedingt, Kranz ließe vielleicht mit sich reden. Außerdem könnte ich hautnah von Ihrer Festnahme berichten.« Sie nahm den Smith & Wesson in die Hand und fuchtelte demonstrativ mit der Waffe herum. »Ich habe Ihnen am Potsdamer Platz geholfen. Sie haben bei mir geschlafen und gefrühstückt. Und ich habe Ihr komisches Spiel ›Wenn du zuerst redest, rede ich‹ mitgemacht. Jetzt ist Schluss mit lustig. Ich erwarte …«
Das von mir emporgeschleuderte Tablett unterbrach Rica Aden, als es gegen ihren Kopf krachte. Geschirr, Besteck und der übrig gebliebene Toast fielen zu Boden. Ich warf mich auf die Journalistin und hielt ihren rechten Unterarm fest. Der Korbsessel brach zusammen, und wir beide landeten unsanft in den Resten des Frühstücks. Meine Hände drehten fest an Ricas Unterarm. Sie stieß einen Schmerzenslaut aus und ließ den Revolver los. Ich schnappte die Waffe und schwang mich rittlings auf die am Boden liegende Frau, drückte die Mündung gegen ihre
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