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Wenn der Golem erwacht

Wenn der Golem erwacht

Titel: Wenn der Golem erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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Ahnung, mit wem du alles geschlafen hast?«
    Ich wusste nur von Max und dachte zum ersten Mal daran, dass ich bei ihr kein Kondom benutzt hatte. Warum nicht? Weil wir beide einfach nicht daran gedacht hatten? Oder weil da noch mehr gewesen war, eine unerklärliche Vertrautheit?
    Rica verließ das Zimmer kurz und kam mit einer ganzen Kondompackung zurück.
    »Du hast wohl Größeres vor«, meinte ich.
    Sie betrachtete meinen nackten Unterleib. »Das hängt ganz an dir.«
    Rica hatte Unrecht, zumindest dieses eine Mal. Wir liebten uns lange und intensiv, aber das lag weiß Gott nicht nur an mir. Sie verstand es, mein Feuer immer wieder zu entfachen. Ihr wundervoller schlanker Leib mit den großen Brüsten wand sich wie eine Schlange um mich, rieb sich an mir, presste sich gegen mich, mal langsam und sanft, dann schnell und fordernd. Ihre Hände strichen über meine Haut, ihre feuchten Lippen küssten mich überall, und ihre Zunge spielte mit mir. Als Journalistin mochte sie ein Ass sein, im Katz-und-Maus-Spiel hatte sie mich brillant ausgetrickst, aber als Liebhaberin übertraf sie alles. In ihren Armen vergaß ich meine bescheidene Lage, wurden Sorgen und Grübeleien bedeutungslos, dachte ich sogar nicht mehr an Max.
    Erst als wir erschöpft auf dem zerwühlten Bett lagen und unsere nackten, erhitzten Körper den bunten Marilyn-Klonen preisgaben, packte mich eine Art Schuldgefühl Max gegenüber. Ich konnte es mir nicht erklären. Wir hatten uns nichts versprochen und würden uns niemals wieder sehen. Keiner schuldete dem anderen etwas, schon gar nicht Rechenschaft. Und doch konnte ich die schwache Stimme tief in mir nicht unterdrücken, die mir ständig einflüsterte, dass ich Max betrogen hätte. Als wollte mir diese Stimme noch etwas anderes sagen, etwas, das in mir verborgen lag.
    »Was hast du?«, durchschnitt Rica meine Gedanken. »Bist du nicht mit mir zufrieden?«
    »Zufrieden ist gar kein Ausdruck.« Ich beugte mich über sie und küsste ihre Brustwarzen. »Eher zutiefst befriedigt, würde ich sagen.«
    Sie stützte sich auf einen Ellbogen und betrachtete mich. »Du siehst aber nicht so aus.«
    »Ich frage mich nur, ob ich das Richtige tue, indem ich bei dir unterkrieche. Wenn das herauskommt, stehst vielleicht auch du auf der Abschussliste der Leute, die hinter mir her sind. Denk an den Fernfahrer!«
    Rica lächelte. »Gefahr ist mein Geschäft.«
    »Sagte Schütze Arsch, bevor er auf die Landmine trat.«
    Sie zog ihre Stirn in Falten. »Willst du meine Hilfe nicht mehr? Ich warne dich, so einfach lasse ich mich nicht abservieren.«
    »Ich will dir nur klarmachen, dass wir nicht bloß Cowboy und Indianer spielen.«
    »Ich weiß nicht, was die SGB von dir will. Sie ist ein harter Verein, aber sie ist nicht die Gestapo.«
    »Wer oder was ist das überhaupt, die SGB?«
    Noch mehr Falten traten auf ihre Stirn. »Jetzt willst du mich aber verarschen!«
    »Keine Spur.«
    Sie sprang nackt aus dem Bett und holte den Ordner, den sie über Robert Fuchs – über mich? – angelegt hatte. Dann präsentierte sie mir ein Foto, auf dem ich voll in Schale zu sehen war. Ich stand auf einem Empfang, ein Sektglas in der Hand, und sprach mit einem untersetzten Mann um die vierzig. Er trug einen grauen Zweireiher, dessen Jackett weit geschnitten war. Trotzdem erkannte man selbst auf dem Foto die Ausbuchtung an der rechten Hüfte, wo das Gürtelholster saß. Der Mann hatte schütteres dunkles Haar und auf der leicht gebogenen Nase saß eine Brille mit achteckigen Gläsern. Sein Gesicht wirkte zwar etwas zu voll, zeichnete sich aber durch scharfe Konturen aus. Das verlieh meinem unbekannten Gesprächspartner das Aussehen eines Raubvogels, der gut genährt war und trotzdem ständig nach neuer Beute ausspähte.
    Rica stieg wieder zu mir ins Bett und tippte auf das Bild des anderen Mannes. »Das ist Dr. Einar Kranz, Leiter der SGB, der Sicherungsgruppe Berlin. Klingelt es jetzt bei dir?«
    »Nein, sollte es?«
    »Immerhin habt ihr euch auf dem Empfang offenbar blendend unterhalten.«
    »Auf welchem Empfang überhaupt?«
    »Bei der Einweihung des INTEC-Towers.«
    »Was hatte dieser Dr. Kranz da zu suchen?«
    »Es waren einige hohe Tiere anwesend, der Bundesarbeitsminister und der Bundeswissenschaftsminister. Die Sicherungsgruppe Berlin ist verantwortlich für den Personenschutz hochgestellter Politiker in unserer schönen neuen Hauptstadt.«
    »Seltsam, dass ich von dem Verein nichts weiß«, murmelte ich.
    »Das finde ich auch.

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