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Wenn der Hunger erwacht (German Edition)

Wenn der Hunger erwacht (German Edition)

Titel: Wenn der Hunger erwacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rhyannon Byrd
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nicht eine von diesen hirnlosen Gören, die allein in den Wald latschten, ohne den Kompass von der Puderdose unterscheiden zu können.
    Trotzdem, nach dem grausamen Mord am letzten Freitag hatte Rachel eigentlich nicht vorgehabt, allein unterwegs zu sein, aber die sogenannte Freundin, die sie begleiten sollte, war heute Morgen nicht aufgetaucht. Sie hätte zu einem späteren Zeitpunkt in den Wald gehen können, aber mit ihrer Kamera hatte es ein Problem gegeben, und heute war die letzte Gelegenheit, um die Bilder zu machen, die sie für den Fotografiekurs brauchte.
    Die alte Borstenkiefer, in die sie sich auf ihrer letzten Wanderung verliebt hatte, sollte der Höhepunkt ihrer Arbeit werden, und heute war das Licht einfach perfekt. Bedrohliche Wolken hingen am Himmel, durch die sich goldene Sonnenstrahlen kämpften und den Wald in gesprenkelte Farben tauchten. Wenn sie diesen atmosphärischen Effekt einfangen könnte, würde sie nicht nur eine Eins für ihre Fotos bekommen, sondern höchstwahrscheinlich auch das begehrte Stipendium für die Kunsthochschule, an der sie sich beworben hatte.
    Dieses Stipendium war für ihre Zukunft so wichtig, dass Rachel gar keine andere Wahl gehabt hatte, als heute Morgen allein loszuziehen. Außerdem war sie nicht ängstlich, vielleicht ein bisschen nervös, aber insgesamt fühlte sie sich hier sicherer als im Gedränge der Stadt. Die Natur war ihre Zuflucht, die sie beschützte. Nur unter Menschen blieb sie immer auf der Hut, blickte ständig über die Schulter zurück und fragte sich, was die Leute wohl als Nächstes für einen Irrsinn anstellen mochten. Menschen waren auf dieser Welt die unberechenbaren Pulverfässer, aber die Natur … die Natur war ihr persönliches Schutzgebiet. Die Natur war nicht immer sanft und mild, aber sie ließ einen niemals im Stich. Sicher, auch in der Natur konnte es gefährlich sein, wenn man sich nicht auskannte, aber sie war niemals grausam. Sie tötete nicht einfach so, aus Spaß.
    Zumindest hatte sie immer dieses Gefühl gehabt. Bis jetzt. Sie kriegte die dämlichen Gerüchte nicht mehr aus dem Kopf, die über das Land fegten wie ein Buschfeuer und alle Welt nervös machten. Sie hatte immer geglaubt, über solcher von den Medien ausgelöster Panik zu stehen, aber offenbar hatte sich diese Propaganda in ihr Unterbewusstsein gefressen. Man raunte sich Vermutungen über ein vermisstes Mädchen zu, das sich als zweites Opfers erweisen könnte, obwohl noch keine Leiche gefunden worden war. Manche meinten sogar, Kendra Wilcox sei von irgendeiner Art Monster zerfleischt worden, aber Rachel hielt nichts von irgendwelcher übernatürlichen Hysterie.
    Zumindest hatte sie das immer geglaubt, bis sie plötzlich ein Rascheln hörte, zusammenzuckte und erschreckt aufschrie. Sie packte den Riemen der Kamera über ihrer Schulter fester, schalt sich selbst, weil ihre Einbildung ihr was vormachte, und zwang sich, tiefer in den Wald vorzudringen.
    Fünf Minuten später war sie bei dem Baum angelangt, lächelte erleichtert und wollte gerade nach dem Fotokoffer greifen, als hinter ihr plötzlich ein Ast knackte. Rachel wirbelte herum und starrte suchend in das Dickicht, während das Herz ihr bis zum Hals schlug – die Panik war sofort wieder da. Aber es war nichts zu entdecken. Sie machte ein paar Schritte rückwärts, sah sich in alle Richtungen um. Ein komisches Gefühl, beobachtet zu werden, stieg in ihr auf.
    Wie eisige Tentakel legten sich die Arme der Furcht um ihre Kehle, sie bekam kaum noch Luft. Noch ein Knacken, diesmal aus einer anderen Richtung, sie wirbelte wieder herum und zog ein Taschenmesser heraus, das ihr Vater ihr geschenkt hatte, als sie begann, allein im Wald zu wandern.
    „Wer immer du bist, ich habe keine Angst vor dir!“, schrie sie, aber ihre Stimme verriet das Gegenteil. Hinter sich spürte sie einen Luftzug, als ob sich jemand schnell näherte, sie schrie auf, drehte sich in Sekundenschnelle um und wäre beinahe gestolpert. Mit hektischen Augen suchte sie den Wald ab.
    „Bleib bloß von mir weg, oder ich rufe die Bullen!“, rief sie, aber das war nur geblufft. Sie hatte ihr Handy letzte Woche bei einer Party verloren und war zu beschäftigt gewesen, um sich Ersatz zu besorgen.
    „Versuch’s doch mal“, ertönte hinter ihr eine tiefe, eigenartig samtene Stimme, „dann werden wir ja sehen, was das bringt.“
    Rachel war so verängstigt, dass sie sich fast übergeben hätte. Sie drehte sich um, und da stand … ein Mann. Auf jeden

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