Wenn der Hunger erwacht (German Edition)
Fall kein Monster. Kein verschmiertes Biest, keine Kreatur aus der tiefen Nacht. Sondern ein großer Adonistyp, nett anzusehen, mit goldenem Haar. Jemand, der ihrer Aufmerksamkeit nicht entgangen wäre, wenn er ihr auf der Straße begegnete, auch wenn er für ihren Geschmack ein bisschen zu sehr nach dem Titelblatt des Gentleman’s Quarterly aussah. Er hatte keine Waffe in der Hand. Kein bedrohliches Messer oder Skalpell, das er wie ein Irrer umklammerte.
„Ach, Sie … Sie sind ja bloß ein Mann“, flüsterte sie, aber dann fiel ihr auf, dass seine Augen von einem seltsamen Eisblau waren. Solche Augen sah man vielleicht bei manchen Tieren, aber nicht bei Menschen. Voller Entsetzen trat sie ein paar Schritte zurück, darauf bedacht, die Klinge des aufgeklappten Taschenmessers in seine Richtung zu halten. „Bloß ein Mann“, wiederholte sie, als ob es wahr werden könnte, wenn sie es laut aussprach.
„Da bist du sicher, mein Engel?“ Er legte den Kopf leicht zur Seite, folgte jedem ihrer Schritte, pirschte sich langsam an, in seinen merkwürdigen Augen leuchtete etwas, das reinem Entzücken glich.
„Ich b-bin doch kein Engel“, stotterte sie, so sehr zitternd, dass ihre Zähne klapperten.
„Soll ich dir ein Geheimnis verraten?“ Während er das fragte, warf er ihr ein sinnliches Grinsen zu, das sie zum Winseln brachte. Er schien ihren kindlichen Ton zu genießen und ließ ein heiseres Kichern hören. „Ich auch nicht.“
In diesem Augenblick wusste sie, dass er der Mörder war. Und sie wusste ganz genau, was er ihr antun würde. Tausend Fragen rasten durch ihren Kopf, aber sie brachte nur eine einzige hervor: „Warum?“
Er hob eine Hand zum Kragen seines frischen, teuer wirkenden Hemds und begann langsam, es von oben nach unten aufzuknöpfen. „Weil ich der Jäger bin, und du, Süße, du bist die Beute.“
Rachel wollte um Hilfe schreien … aber bevor sie einen Ton von sich geben konnte, sprang er auf sie zu, packte sie in einem tödlichen Griff, eine Hand über ihren Mund gelegt, und hauchte ihr beruhigende Worte ins Ohr. Sie wollte sich wehren, mit dem Messer zustechen, aber er brauchte kaum eine Sekunde, um ihr das Messer aus der Hand zu schlagen. Die Kamera rutschte ihr von der Schulter, als er sie zu Boden zwang, unter den knorrigen Ästen des alten Baums, die sich wie eine Vielzahl von Armen zum Gebet Richtung Himmel streckten, aber niemand konnte ihr jetzt noch helfen.
Als ihre entsetzlichen Schreie durch den Wald hallten, stieg ein Vogelschwarm von den Bäumen in den Morgenhimmel auf, aber sonst war niemand da, der sie hören konnte.
16. KAPITEL
Ravenswing, Donnerstagnachmittag
Das war wirklich eine Woche in der Hölle gewesen. Zwar hatte Ian nicht gerade Tee und Rosen erwartet. Aber, Herrgott, in diesem Augenblick war kaum noch etwas von ihm übrig, das den Casus umbringen könnte. Sein ganzer Körper tat ihm weh, vom Kopf bis zu den Zehen, und entsprechend war seine Laune.
Er wischte sich den Schweiß aus den Augen, unterdrückte ein finsteres Grollen und ignorierte entschlossen diese bohrende Eifersucht, die sich durch seine Gedanken fraß, wann immer er daran dachte, wie viel Zeit Molly mit Scott verbrachte. Er stieß scharf Luft aus, rollte den Kopf und konzentrierte sich stattdessen auf seinen grinsenden Gegner.
Großes Kätzchen, dieses Arschloch, dachte er, stumm fluchend. Was für ein Gestaltveränderer dieser Aiden Shrader wirklich war, hatte er mit eigenen Augen zu sehen bekommen, als er spät am Montagabend nach draußen ging, um eine Zigarette zu rauchen. Plötzlich stand er einem über zweihundert Kilo schweren Tiger gegenüber, dessen goldene Augen amüsiert blitzten, als er vor Schreck zurücktaumelte und wie ein Idiot auf seinem sowieso schon mitgenommenen Hintern landete.
Nun hatte Ian diesen arroganten Watchman erneut zum Gegner, und er spürte auch wieder, wie der Merrick in ihm vor Wut kochte, weil er seine Klauen nicht ausfahren konnte, um sich diesen Kerl zu schnappen. Shrader kam rasend schnell auf ihn zu, aber diesmal war Ian vorbereitet. Er balancierte auf den Fußballen, duckte sich im letzten Augenblick, packte den über ihn hinwegschießenden Oberkörper des Watchman, hielt ihn so gut wie möglich fest (schließlich waren beide schweißgebadet), wirbelte ihn herum, um ihn mit dem Kopf voran gegen die Garagenmauer zu schleudern, in der Hoffnung, das würde ihm den Rest geben.
„Du kannst versuchen, ihm das Hirn aus dem Schädel zu hämmern, so oft du
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