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Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Titel: Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malte Pieper
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vorgesehenen Felder. Das konnte der Computer ja aber nicht wissen, und so dachte der sich wie immer: «Zwischen den Punkten, wo der Herr Löchel druff jetippt hat, muss ick dat Bild machen.» Und so sah es dann auch aus. Ein circa zehn mal zehn Zentimeter großes, völlig verzerrtes, farbiges Etwas überzog den Bildschirm – Herr Löchel kapitulierte sofort. Ein letztes «Weiß einer von euch, wie das geht?» brachte er noch hervor, dann sackte er auf seinem Stuhl zusammen. Ihm reichte es. Wahrscheinlich beschloss er in diesem Moment, nach Brasilien auszuwandern und dort als Holzfäller auf einer Gummibaumplantage zu arbeiten.
    Wir jedenfalls wussten auch nicht mehr weiter. Das verzerrte Bild ließ keinerlei Steuerungsmöglichkeit mehr zu, und ausschalten durfte man das Gerät nicht einfach, geschweige denn den Stecker ziehen, da sonst ein irreparabler Schaden entstanden wäre. So hatte man uns das bei der Einführung der Smartboards eingebläut. Es kam, wie es kommen musste: Wir riefen Jonas. Der kam, schaute sich die Bescherung an und – zog den Stecker!
    Herr Löchels keuchend vorgetragene Bedenken bezüglich der irreparablen Schäden kommentierte er nur kurz mit: «Das Ding haben Sie eh schon ruiniert. Das müssen wir komplett neu programmieren.» Herr Löchel war den Tränen nahe, stammelte: «Ich bin zu alt für diese ganze Technik!», und die brasilianische Gummibaumplantage wurde für ihn wahrscheinlich zur echten Alternative.
    Dabei steht die Technikentwicklung doch vermutlich erst ganz am Anfang. Glaubt man so manchen Bildungspolitikern und ihren Fördermaßnahmen, dann wird die Technik schon bald den Unterricht übernehmen. Dann werden alle Probleme, die es in Schulen jemals gab, gelöst sein, ein virtueller John F. Kennedy wird in Berlin erscheinen und verkünden: «Ich bin ein Computer!» Statt in die Ausbildung von Lehrkräften zu investieren oder die Lerngruppen zu verkleinern, denkt man in Ministeriums- und Verwaltungskreisen wohl, solange mindestens
ein
digitales Hilfsmittel im Spiel ist, könne man die Lehrinhalte selbst vernachlässigen.
    In Zukunft wird wahrscheinlich jeder Fingerzeig des Lehrers technisch kontrolliert. Damit alle Lernstandards eingehalten werden, wird es in jedem Klassenraum Überwachungskameras geben, die den Unterricht aufzeichnen.
    Auch die Schüler werden von dieser Technik beeinflusst werden. Und zwar nicht nur, dass jeder Schüler einen in den Schultisch integrierbaren Laptop bekommt. Nein, das ist doch technischer Kindergarten. Den Schülern der Zukunft werden zu Beginn ihrer Schullaufbahn kleine, elektronische Chips und mehrere Sensoren unter die Haut integriert. Betritt ein Schüler dann einen Klassenraum, so weiß der Lehrer sofort, wer anwesend ist und wer nicht. Das hätte den wahnsinnig überzeugenden Vorteil, dass sich kein Lehrer mehr mit diesem schrecklich schweren Klassenbuch abschleppen müsste. Und es dauerte bestimmt auch nur knapp dreißig Jahre, bis die Ausgaben für die Technisierung der Schule durch die Ersparnisse im Papierkostenbereich wieder hereingeholt sind.
    Die implantierten Sensoren haben darüber hinaus noch weitere unschlagbare Vorteile: Sie messen den Aktivitäts- und Stresspegel des Kindes und können so ermitteln, ob der betreffende Schüler seine Hausaufgaben gemacht hat oder nicht. Ist dies nicht der Fall, macht der Chip automatisch eine Meldung an den zentralen Computer, der wiederum den Schüler in ein digitales Klassenbuch einträgt.

    Im Unterricht kann der Schüler dann, ohne zu sprechen, sondern nur durch Denken einer richtigen Antwort, am Unterrichtsgespräch teilnehmen. Was wäre das für eine Ruhe! Die Traumvorstellung eines jeden Lehrers. Tinnitus, Hörsturz und Stimmbandreizung gehören der Vergangenheit an. Und nicht nur das: Falsche Gedanken werden von einer speziellen Software automatisch herausgefiltert, und der entsprechende Schüler wird mit einem kleinen Stromschlag bestraft. Denkt ein Schüler an etwas, das nichts mit dem Unterricht zu tun hat, werden die Stromschläge intensiviert. Aus der vom Computer gemessenen Zeit des Mitdenkens und der Abgelenktheit wird dann im Verhältnis zu den richtigen und falschen Antworten die Mitarbeitsnote ermittelt. Der Lehrer spart sich so die anstrengende Notengebung samt Feilschen mit unzufriedenen Schülern und meckernden Eltern. Herrlich! Ist die errechnete Note dann zu schlecht, werden gewisse Gehirnzellen mit elektromagnetischen Impulsen stimuliert, sodass der Schüler Lust

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