Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Titel: Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malte Pieper
Vom Netzwerk:
vorbereitet, und jetzt sollte ihm ein einfacher Luftfilter seinen schönen Unterrichtsplan zerstören. Der Beamer zeigte zwei Optionen an: «Fortfahren» oder «Abbrechen». Herr Löchel klickte auf «Fortfahren». Ein zweites Fenster erschien, und Herr Löchel klickte, ohne zu lesen, auf «Weiter». In seiner sich anbahnenden Verzweiflung hätte er wohl auch «Weiter» geklickt, wenn er sich damit zum Kauf einer Waschmaschine verpflichtet oder den Start einer Atombombe ausgelöst hätte. Ein Feld mit der Aufschrift «Fertig» erschien. Herr Löchel klickte es an, und der Beamer zeigte ein Testbild. Es sah gut aus. Doch dann erschien erneut eine Fehlermeldung und noch eine. Herr Löchel klickte und tippte, doch nichts Gutes passierte. Es sei denn, man wertet die Anzeige «Achtung: Beamer überhitzt!» als etwas Gutes.
    Die Optionen «Ok» oder «Abbrechen» boten sich an. Herr Löchel brach ab und dann zusammen. «Weiß einer von euch, wie das geht?»
    Wir beschlossen Jonas zu holen, der das Problem in kurzer Zeit durch ein paar Einstellungen löste, sodass der Beamer anschließend hervorragend einen Erdkundefilm über Landwirtschaft abspielte. Allein: Aus den Lautsprechern kam kein Ton. In einem kurzen Moment technischer Genialität kam Herr Löchel auf die Idee, am Laptop auf «Ton an» zu klicken und siehe da, eine ruhige Erzählerstimme erfüllte den Raum. Was er nicht beachtet hatte: Der Ton kam nicht von dem Erdkundefilm, den er als Datei auf dem Laptop abgerufen hatte, sondern von einer DVD , die noch im Laufwerk des Notebooks steckte und nun ihre Tonspur abspielte. Wir bemerkten dies aber erst, als ein Bauer auf seinem Feld ein paar Weizenhalme abrupfte und der Erzähler unter Begleitung von dramatischer Hintergrundmusik verlauten ließ: «Dies ist Otto von Bismarck. Durch geschickte politische Schachzüge hatte er die Position als Ministerpräsident unter König Wilhelm I. erlangt. Nun wollte er durch Kriege gegen europäische Nachbarstaaten die deutsche Einigung erreichen.» Die Stimme verkündete einen Angriff auf Dänemark 1864 , der Beamer zeigte, wie ein Traktor über ein Feld fuhr und Weizen erntete. Der Erzähler berichtete vom Deutsch-Französischen Krieg, auf der Leinwand wurden fünfzig Kühe von drei jungen Männern mit Stöcken in einen Stall getrieben. Ich bezweifle, dass es damals so abgelaufen ist. Aber wer weiß? Ich war ja nicht dabei.
    Herr Löchel bemühte sich um Ruhe und versuchte, den Technikfehler zu beheben, doch das absurde Spiel lief weiter. Als der Erzähler dann nach einiger Zeit auf den Nationalsozialismus zu sprechen kam und Adolf Hitler als Anführer dieses braunen Irrglaubens nannte, brach das Gelächter endgültig aus. Auf der Leinwand war in Großaufnahme ein dickes, dreckiges rosa Schwein zu sehen.
    Das bunte Treiben wurde dann jedoch durch den Schulgong unterbrochen, Herr Löchel verfluchte die moderne Technik und begann mit dem Ausschalten der Gerätschaften.
    Der Höhepunkt des technischen Scheiterns einer Lehrkraft stand aber noch aus. In irgendeinem Geldtopf der Stadt oder des Landes war wohl noch eine kleine Summe übrig geblieben, und man beschloss, Smartboards anzuschaffen. Smartboards sind elektronische Tafeln, die an einen Computer angeschlossen werden. Schreibt man auf dem Computer einen Text, wird dieser auf der elektronischen Tafel sichtbar. Ebenso funktioniert das mit Präsentationen, Internetseiten und Filmen. Man kann aber auch mit speziellen Stiften auf das Smartboard selber schreiben, und der so geschriebene Text erscheint dann auf dem Bildschirm. Man merkt schon: Da steckt viel Technik drin – und damit auch unendlich viele Möglichkeiten, an ihr zu scheitern. Diese Smartboards mussten von Schülern entwickelt worden sein, denn mit keinem technischen Gerät wurde jemals so viel Unterrichtszeit vergeudet wie mit ihnen …
    Herr Löchel verstand sich darauf besonders gut. Startet man das Smartboard, muss man es kalibrieren, d.h. man muss den Bildschirm korrekt einstellen. Dafür zeigt das Smartboard jeweils in den Ecken einen Kreis an, in den man mit dem speziellen Stift tippen musste. Dann weiß der Computer: «Ah, dat sind die Ecken. Dazwischen muss ick dat Bild anzeigen. Wird jemacht.»
    Herr Löchel war aber wohl entweder von dem Wort «kalibrieren» oder von der plötzlichen Aufforderung des Geräts so überrascht, dass er, ohne die Anweisungen des Smartboards zu befolgen, mehrfach auf den Bildschirm tippte – natürlich nicht in die dafür

Weitere Kostenlose Bücher