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Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Titel: Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malte Pieper
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andere Knöpfe, von denen er nicht wusste, was sie bedeuteten. Der Kassettenrekorder blieb stumm. Herrn Löchels Blick wurde verzweifelter. Er nahm die Kassette heraus, drehte sie ein paar Mal dicht vor seinen Augen, konnte aber keinen baulichen Fehler erkennen und legte sie wieder ein. «Play.» Immer noch kein Ton. Herr Löchel wandte sich an uns, und es fiel der Satz, der immer fällt, wenn ein Lehrer mit der Technik nicht weiterkommt: «Weiß einer von euch, wie das geht?» Natürlich wussten wir es. Und wir hätten es Herrn Löchel auch schon früher sagen können, aber in einem stillen Pakt hatten wir beschlossen, dieses entspannte Verstreichen von Unterrichtszeit nicht abzukürzen. Da ich nun nicht mehr die Schule besuche und Kassettenrekorder auch nur noch selten zum Einsatz kommen, kann ich ja jetzt das Geheimnis lüften: Herr Löchel, lesen Sie die nächsten Zeilen sorgfältig: Es gibt am Rekorder oben einen Schalter, mit dem man zwischen Radio, CD oder Kassette wählen muss. Steht der Schalter auf CD , wird die Kassette logischerweise nicht abgespielt. Der fiese Trick der gemeinen Kassettenrekorderhersteller: Sie hatten auf den Schalter nicht Radio, CD und Kassette geschrieben, sondern Tuner, CD und Tape. Wie konnte Herr Löchel da auch wissen, wie wichtig dieser Schalter war? Angesichts der Tatsache, dass viele Lehrer an der Bedienung eines simplen Kassettenrekorders verzweifeln, ist es erstaunlich, wie vielen von ihnen es gelingt, täglich unfallfrei mit ihrem Auto zur Schule zu fahren.
    Wir Schüler verhielten uns in solchen Situationen immer freundlich passiv: Zu Hause waren wir zwar in der Lage, die Playstation, den Computer, den iPod und das Handy im Zweifelsfalle gleichzeitig zu bedienen. Doch in der Schule verließen uns diese Fähigkeiten ominöserweise schon bei einem einfachen DVD -Spieler. Da verhielten wir uns wie die Italiener beim Fußballspielen: hinfallen und Zeit schinden.
    Aber in jedem Jahrgang gibt es einen, der sich mit Technik auskennt, so auch bei uns. Gab es ein technisches Problem, wurde Jonas aus der Parallelklasse gerufen, denn Jonas war bereits mit einer Tastatur in der Hand auf die Welt gekommen und kommunizierte eigentlich nur mit Menschen, um herauszufinden, wo der nächste Computer zu finden war. Gerüchten zufolge soll sein erstes gesprochenes Wort nicht «Mama», sondern «Windows» gewesen sein. Fakt war, dass er sich auskannte mit Technik: Der DVD -Spieler ging nicht an, Jonas wurde gerufen. Der Fernseher hatte kein Bild, Jonas musste es richten. Die Computer waren abgestürzt, Jonas löste das Problem.
    Ab und zu missbrauchte er aber auch seine technischen Fähigkeiten. So hat er sich einmal in das Schulnetzwerk gehackt, sämtliche Passwörter geknackt und sie an ein paar Freunde verschickt. Die hatten sie ausgedruckt und in der Schule ans Schwarze Brett gehängt. Das war erst mal nicht weiter schlimm, da keine sensiblen Daten oder wichtige Funktionen dadurch gefährdet waren. Es sei denn, man befürchtete, Jonas würde das Referat über die südafrikanische Gelbbauchkröte, das man auf dem Server der Schule gespeichert hatte, löschen.
    Schlechter lief der Fall für unseren Englischlehrer. Herrn Lottenbach wurde schon jahrelang eine Affäre mit Frau Mainzer oder zumindest ein gesteigertes persönliches Interesse an ihrer Person nachgesagt, was er aber immer von sich wies, wenn einmal das Thema darauf kam. Sein nun veröffentlichtes Passwort trug nicht gerade dazu bei, die Gerüchte zum Schweigen zu bringen. Es lautete «Mainzer» …
    Jonas flog aber dennoch nicht von der Schule, vermutlich, weil man befürchtete, dann gar nicht mehr mit der Schultechnik fertigzuwerden. Gerade Herr Löchel muss außerordentlich froh über die Entscheidung des Direktors gewesen sein, denn er versuchte – trotz seiner Unfähigkeit in diesem Bereich – immer wieder, den Unterricht mit technischen Errungenschaften zu verbessern. Jonas hatte jedes Mal viel zu tun – ich frage mich, wie viel er eigentlich vom regulären Unterricht in seiner Klasse mitbekam.
    Eines Tages wollte Herr Löchel einen Film nicht im Fernseher, sondern über einen neuen Beamer auf der Leinwand zeigen. Er hatte sich vorher von Jonas alles ganz genau erklären lassen, und es war ihm auch gelungen, den Beamer zu starten und an den dazugehörigen Laptop anzuschließen. Doch schon leuchtete die erste Fehlermeldung auf: «Luftfilter muss gereinigt werden.» Herr Löchel erstarrte. Da hatte er sich so gut

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