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Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Titel: Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malte Pieper
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Künstlerin, zu gut für die Klassenzimmer dieses Landes. Sie war zeit ihres Lebens von ihrer ignoranten Umwelt verkannt worden, kein Kurator hatte sich auf das Anspruchsvolle ihres Werkes auch nur ansatzweise einlassen können. Aus rein finanziellen Gründen war sie nach ihrem Kunststudium dazu gezwungen gewesen, sich mit uns Banausen rumzuschlagen. Eine typische Kunstlehrerin eben.
    Frau Mainzer wertete mein fehlendes Können außerdem als absolut geschlechtstypisch, denn das passte in ihr Weltbild. Die meisten Jungen wurden von ihr nur beachtet, indem sie ihre Bilder abfällig beurteilte.
    Davon kann, glaube ich, jeder Schüler ein Lied singen: Die meisten Lehrer geben dem einen oder dem anderen Geschlecht den Vorzug, auch wenn sie das natürlich strikt von sich weisen würden. Aber es ist tatsächlich so: Ob Junge oder Mädchen, kann im Zweifelsfall den Ausschlag für eine Note rauf oder runter geben.
    In der Grundschule war unsere damalige Kunstlehrerin sogar noch von einem längst überkommenen Rollendenken beherrscht. Sie plante eine Unterrichtsreihe mit Stoff und Wolle, also Häkeln, Sticken, Nähen, Stricken und Ähnliches. Allerdings nur für die Mädchen. Die Jungs sollten aus verschiedenen Bauteilen «irgendetwas Kreatives» herstellen. Was, war der Lehrerin eigentlich egal. Hauptsache, die Jungen störten die Mädchen nicht beim Stricken. Orhan, Fabio, Thomas und ich bauten also aus Klopapierrollen und Wolle einen kleinen funktionsfähigen Kran und hatten unseren Spaß, während die Mädchen häkelten und strickten. Als der Kran fertig war und uns die Ideen ausgingen, wollten wir ebenfalls Häkeln lernen, denn die Mädchen hatten teilweise ganze Topflappen oder Kuscheltiere zusammengeklöppelt – das machte natürlich Eindruck. Unserer Kunstlehrerin gefiel unser Ansinnen allerdings gar nicht, und sie ließ sich lediglich breitschlagen, uns zu zeigen, wie man Bänder häkelt. Topflappen oder Ähnliches herzustellen blieb den Mädchen vorbehalten. Das sei nichts für Jungs, und deswegen bräuchten wir das nicht lernen, erklärte sie uns lapidar.
    In der Schule habe ich das Häkeln allerdings tatsächlich nie mehr gebraucht. Zum Glück. Denn da hätte ich ja auch ganz schön blöd dagestanden, wenn es in der mündlichen Abiturprüfung geheißen hätte: «Bitte häkele einen Topflappen.» Ich hätte vermutlich angefangen, aus Klopapierrollen einen Kran zu bauen und dann gefragt, ob das nicht auch gelten würde. Verzweiflung macht kreativ.
    Weiß einer von euch, wie das geht?
    Im Gegensatz zu den vorhandenen Geschlechterklischees war unsere Schule in Sachen Technik stets am Puls der Zeit – was dummerweise oftmals zur kompletten Überforderungen der Lehrer führte, hatten die meisten von ihnen ihre Lehrtätigkeit doch noch mit Tafel und Kreide begonnen. Das Prinzip Tafel ist eben einfach. Der einzig mögliche Hardware-Fehler ist das Fehlen der dazugehörigen Kreide. Ist dies der Fall, wird ein Schüler losgeschickt, um Kreide zu organisieren. Problem gelöst. Alles klar.
    Die Bedienung von Tageslichtprojektoren, auch Overhead-Projektoren genannt, wird ebenfalls noch von den meisten Lehrkräften beherrscht. Man legt eine Folie auf den Projektor, schaltet ihn ein und – tata! – das Bild wird an die Leinwand geworfen. An einem kleinen Rad kann man die Schärfe des Bildes einstellen, und je älter der Projektor ist, desto öfter muss man während der Unterrichtsstunde noch mal daran herumdrehen. Das geht ganz ohne Computer oder andere technische Hilfsmittel.
    Beim Einsatz eines Kassettenrekorders oder CD -Spielers beginnt dann die eigentliche Misere. Um jüngeren Generationen das Verständnis eines Kassettenrekorders zu ermöglichen, sei kurz erklärt, dass man bei einem solchen Gerät eine rechteckige Festplatte, die als Band auf zwei Spulen aufgewickelt war, in ein Fach legte. In diesem Fach begannen sich die Spulen zu drehen, und man konnte ungefähr vierzig Minuten lang die auf dem Band gespeicherte Musik oder den Text hören. Nach der Hälfte der Zeit musste man den Datenträger allerdings per Hand (!) umdrehen. Ein Weiterschalten zum nächsten «Track» war nur durch Vorspulen des Bandes möglich.
    Doch bereits das ist für Lehrer oft schon zu viel. In unserer Schule war es Herr Löchel, der es immer wieder schaffte, vor der Technik zu kapitulieren. Er legte die Kassette ein, spulte ein wenig vor und drückte auf «Play». Nichts geschah. Er drückte noch einmal. Immer noch nichts. Er drückte auf

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