Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Titel: Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malte Pieper
Vom Netzwerk:
gehalten.
    Ein weiteres, besonders schönes Verbot wurde im Winter per Lautsprecherdurchsage eingeführt: «Schneebälle werfen: nein. Schneemänner: ja», hieß die Ansage unseres Schulleiters, und ungefähr tausend Ohrenpaare, die dieses Verbot vernahmen, leiteten diese Information an ungefähr tausend mehr oder weniger arbeitende Gehirne weiter, und in ungefähr tausend Gehirnen offenbarte sich eine kleine, aber feine Lücke in der Schneeballverbannung. Wenn man es genau nahm, bedeutete «Schneebälle werfen: nein. Schneemänner: ja» nichts anderes, als dass man zwar keine Schneebälle, wohl aber Schneemänner werfen durfte. Stolz, einer Aufforderung des Schulleiters endlich einmal nachkommen zu können, bauten viele Leute in den folgenden Pausen kleine Schneemänner und bewarfen sich damit.
    Unser Schulleiter reagierte mit Humor und verkündete am nächsten Tag abermals in einer Durchsage: «Schneebälle werfen: nein. Schneemänner bauen: ja. Schneemänner werfen: Ein deutliches Nein! Schnee, egal in welcher Form, werfen: nein! Und wo wir gerade dabei sind: Auf das Eis des zugefrorenen Schulteichs dürft ihr natürlich auch nicht gehen.» Man meinte, ein «Ätschbätsch» mitklingen zu hören.
    Einige ihres letzten interpretatorischen Schlupflochs beraubten Schüler bauten in der nächsten langen Mittagspause einen Schneemann vor dem Büro des Schulleiters. Einen sehr großen und sehr gut geformten Schneemann mit fein herausgearbeitetem Gesicht und ausgestreckten Armen. Ein Schneemann, der geradewegs ins Schulleiterbüro lachte und der dem Rektor den Mittelfinger zeigte.
    Bis heute hängt ein Foto von ihm im Büro des Schulleiters. Nur der Mittelfinger wurde mit einem Computerbearbeitungsprogramm nachträglich wegretuschiert.
    Safety First
    Sicherheit geht vor. Das würde auch in Bezug auf Schule und Unterricht jeder unterschreiben. Dennoch hört man immer wieder von Lehrern, die ihre Schüler mit leicht entzündlichen Flüssigkeiten die Experimentiertische reinigen lassen oder die – wie bei uns in der Schule – monatelang über brüchige Treppengeländer im dritten Stock hinwegsehen.
    Damit wenigstens im Unterricht kein Unglück passierte, bekamen wir bei jeder Gelegenheit die Sicherheitsregeln vorgelesen, vor allem in Chemie. Zugegeben, das war vielleicht sogar ganz sinnvoll, denn immer wieder wollten Schüler die gerade eben erhitzten Reagenzgläser mit Wasser kühlen und wunderten sich dann, wenn diese in tausend Splitter zersprangen.
    Im Laufe meiner Schullaufbahn hatte ich aber eher den Eindruck, als gehe die Gefahr nicht unbedingt von den Schülern aus. Denn die experimentieren ja nur mit harmlosen Stoffen, die im Zweifelsfall ein paar Flecken auf der Kleidung hinterlassen. Die wirklich gefährlichen Experimente führt der Lehrer am Lehrerexperimentierpult durch – dort geschehen die eigentlich riskanten Dinge.
    Einmal wollte unser Physik- und Chemielehrer Herr Nüth uns eigentlich nur zeigen, wie man durch Erhitzen die Inhaltsstoffe einer Flüssigkeit voneinander trennen kann. Er nahm also ein Becherglas zur Hand, hielt es kurz gegen das Licht und murmelte: «… komischer gelber Rand … hat irgendwer wohl nicht richtig sauber gemacht.» Da das Experimentiermaterial aufgrund von Etatkürzungen sehr begrenzt war, beschloss er, das Gefäß dennoch zu benutzen.
    Er füllte also irgendeine mir nicht näher bekannte Chemikalie ein und begann, sie mit einem Bunsenbrenner zu erhitzen. «Das dauert jetzt ein bisschen», sagte er, «ich hole in der Zwischenzeit schon mal das Material für den nächsten Versuch.» Er verließ also den Klassenraum und gerade, als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, ertönte ein enormer Knall. Herr Nüth riss die Tür wieder auf und kam gerade noch rechtzeitig, um einen zweiten Knall zu erleben, der zur Folge hatte, dass das Becherglas zersprang und der Bunsenbrenner von der Kraft der Explosion gegen die Tafel geschleudert wurde, die einen tiefen Riss bekam. Der Brenner indes zündelte fröhlich an der Projektionsleinwand herum, die zwar feuerfest war, aber dennoch ankokelte und vom Ruß komplett schwarz wurde. Bevor der Feueralarm ausgelöst werden konnte, hatte Herr Nüth die Lage allerdings wieder unter Kontrolle. Schön, wenn Lehrer ihren Unterricht durch kleine Katastrophenszenarien ein bisschen auflockern – da kann keine noch so ausgefeilte Methode mithalten.
    Ein anderes Mal hätten wir fast die Atomaufsichtsbehörde auf den Plan gerufen. Es gab bei uns im

Weitere Kostenlose Bücher