Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause
nur, weil Sebastian Vettel mal als Zweiter ins Ziel gefahren ist, lassen Sie beim Bauen den Mörtel weg. Oder Sie würden es als Polizist unterlassen, den fliehenden Dieb zu verfolgen, weil Ihnen das Mittagessen so schwer im Magen liegt. Da werden Sie aber ganz schnell entweder gefeuert oder an einen möglichst unwichtigen Arbeitsplatz versetzt, an dem Sie keinen Schaden anrichten können. Lehrer lässt man trotzdem auf Schüler los.
Es gibt auch Lehrer, die mit Schülern und Lehrmaterial nicht gerade zimperlich umgehen. So einen hatten wir leider auch bei uns auf der Schule. Als ich einmal krank war und Orhan und Fabio mir die Hausaufgaben vorbeibrachten, erzählten sie mir, was sich dieser Lehrer wieder geleistet hatte: «Ey, der Typ, der hat richtig einen an der Waffel. Alter, der ist echt gefährlich. Ey, wir haben nichts gemacht heute. Wir haben nur kurz was miteinander geredet, da wirft der mit Kreide.» «Und dann mit seinem Schlüsselbund», fügte Fabio hinzu. «Ja, genau», sagte Orhan, «und dann hat er mit dem großen Lineal, mit dem man an der Tafel malen kann, auf den Tisch geschlagen. Immer ganz knapp vor die Hände von denen, die in der ersten Reihe saßen. Und ich schwör, du kennst den ja, der schlägt nicht gerade schwach. Der haut richtig zu. Der hat ja schon drei Lineale kaputt geschlagen. In der Parallelklasse ist einmal das Lineal abgebrochen, und der abgebrochene Teil ist durch die Klasse geflogen und hat ein Mädchen am Arm getroffen. Alter, die hat geblutet, und der Typ hat nur gelacht.»
Wieder mischte sich Fabio ein: «Vergiss nicht die Klassenbuchgeschichte.» Orhan fuhr fort: «Ja, das war geil. Das hat uns heute Vincent aus der Nachbarklasse erzählt: Es war voll laut in der Klasse, und dann hat der das Klassenbuch genommen und auf den Tisch geschlagen. Dabei ist das Klassenbuch durchgebrochen. Voll krass! Dem war das so peinlich, weil er musste im Sekretariat sagen, was er gemacht hat. Und ein anderes Mal, da ist er auf einen Tisch gesprungen, weil er Ruhe haben wollte, und der Tisch ist durchgebrochen. Echt jetzt!»
Ja, so ein Lehrer kann auch ab und zu ganz schön tollwütig werden. In der siebten Klasse hatten wir einmal ein Deeskalationstraining, in dem wir lernen sollten, Konfliktsituationen friedlich zu lösen. Ein Rat innerhalb des Trainings war es, die Situation zu verlassen, also ihr aus dem Weg zu gehen. Mach das mal im Unterricht, wenn der Lehrer ausflippt! Wenn du da einfach wortlos aus der Klasse schleichst, hast du den Eintrag im Klassenbuch sicher.
Die wenigsten Lehrer sind allerdings so offensichtlich aggressiv. Die meisten ziehen den Psychoterror der körperlichen Gewalt vor. Dazu gehört das Lästern in Anwesenheit der betroffenen Schüler.
Kam ein Lehrer zum Beispiel in unseren Klassenraum, weil er noch irgendeine Angelegenheit klären musste, und fragte: «Stör ich?» So antworteten einige unserer Lehrer gerne schon mal: «Stören kannst du gar nicht. Die machen heute eh wieder nicht mit. Hab ich dir ja schon erzählt. Eine Katastrophe, diese Klasse! Die schlimmste Klasse, die ich je hatte!»
Den Spruch, die eigene sei «die schlimmste Klasse», die ein Lehrer je hatte, bekommt wohl jeder Schüler im Laufe seiner Schulzeit zu hören. Es ist schon irgendwie merkwürdig, aber sowohl Orhan und Fabio, Thomas und ich als auch unsere Geschwister und alle anderen Schüler, die wir kennen, waren immer in der «schlimmsten Klasse, die es je gab» und immer in der Klasse, die am lautesten und am anstrengendsten war. Immer waren «die anderen viel lieber», die Parallelklasse wesentlich besser und die Stunden mit uns die nervenaufreibendsten der ganzen Woche.
Anscheinend finden es die Lehrer immer da am furchtbarsten, wo sie gerade sind. Schön, wenn Menschen Spaß an ihrem Beruf haben. Aber wahrscheinlich ist auch diese «Ihr seid grausam, und alle anderen sind ganz toll»-Rhetorik Teil der pädagogischen Werkzeuge unserer Fachkräfte für Schülerbildung. Nur wir Schüler erkennen das mal wieder nicht.
Mit Quecksilber spielt man nicht
Lehrer dürfen auch Fehler machen. Es gibt aber Lehrer, die machen etwas häufiger Fehler. Bei uns war das Herr Rudolf. Herr Rudolf war Physik- und Chemielehrer, der während unserer Schulzeit in Rente gegangen ist. Angesichts dessen, was er im Unterricht manchmal angerichtet hat, durchaus verwunderlich, dass er überhaupt das Rentenalter erreicht und sich nicht vorher selbst in die Luft gesprengt oder durch einen Stromschlag getötet
Weitere Kostenlose Bücher