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Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Titel: Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malte Pieper
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beschäftigt hat, dass man das Notierte eh beherrscht. Eigentlich sollten Lehrer Schüler ermutigen, sich solche Notizen zu machen. Wäre es nicht auch im Sinne der Stärkung der Gruppenarbeit, wenn man Klausuren in Teams lösen dürfte?
    Der eine ist gut in Biologie, der andere ein Mathegenie. Warum tauscht man sich nicht einfach aus. Das nennt man dann kompetenzorientiertes Arbeiten. Und wenn Orhan von mir abschreibt oder ich von ihm, kann man das nicht als interkulturellen Austausch verbuchen, für den unsere Schule vielleicht sogar noch Fördergelder von der EU kriegen könnte?
    Bei Hausaufgaben waren wir jedenfalls Meister des kompetenzorientierten Arbeitens. Für uns war es normal, zur Schule zu kommen und nervös zu fragen: «Was hatten wir auf?», um bald danach beruhigt festzustellen, dass es jemanden gab, der einen abschreiben ließ. Blieb dazu keine Zeit, so musste man darauf hoffen, nicht aufgerufen. Als hätten Lehrer einen Radar für hausaufgabenlose Schüler, wurden aber genau sie immer aufgerufen. Dann hieß es, schnell die Aufzeichnungen des Nachbarn unauffällig herüberzuziehen und die vorzulesen, wobei man bei schlechter Lesbarkeit der Schrift immer wieder betonen musste: «Ui, da hab ich aber unsauber geschrieben. Ich kann meine eigene Schrift nicht lesen. Na, so was.» Machte man das gut, konnte man schon mal damit durchkommen; entdeckte der Lehrer den Betrug, brachte man das alles übertrumpfende und in jeder Situation schlagkräftige Argument hervor: «Das haben wir gestern zusammen gemacht.»
    «Welch Engagement für den Unterricht!», müssen sich die Lehrer in solchen Fällen immer gedacht haben. «Da haben sich Schüler aus Stadtteilen, die Kilometer voneinander entfernt liegen, extra getroffen, nur um ein paar Aufgaben zusammen zu machen?! Und das fast jeden Tag! Toll! Die dreißig Schüler einer Klasse haben die Hausaufgaben in einer Großgruppe von exakt dreißig Schülern gemacht? Welch Erfolg in Sachen Gruppenarbeit!»
    Wenn ich Lehrer wäre, hätte ich nichts dagegen, wenn die Schüler bei solchen Gelegenheiten ab und zu mal die Wahrheit etwas … dehnten. Aber doch bitte mit Niveau und etwas kreativer! Bei mir müsste ein Schüler mindestens sagen: «Ich habe alles versucht, meine Hausaufgaben zu machen, aber ich wohne auf dem Land, und wir hatten eine Heuschreckenplage, und die Viecher haben meine Hausaufgaben restlos aufgefressen.» Da würde ich den Schüler doch für seine Kreativität loben und akzeptieren, dass er sich die Lösungen kopiert hat.
    Hatte man es als Schüler aber nicht geschafft, die Aufgaben irgendwie in seinen Besitz zu bringen, und wollte das nun nicht schon wieder dem Lehrer gestehen müssen, konnte man auch vom leeren Block ablesen. Voraussetzung dafür war allerdings eine gute Kenntnis des Themas, und wenn der Lehrer fragte, warum man die Sätze so komisch formuliert habe, behauptete man halt, das sei nun mal der Schreibstil, den man sich angewöhnt habe.
    Aber Vorsicht: Sehr gewitzte Lehrer können an den Augenbewegungen sehen, ob man tatsächlich liest oder nicht. Bei diesen Lehrern braucht man gar nicht erst versuchen zu schummeln, denn sie verfügen über feinste Rezeptoren, die einen pfuschenden Schüler sofort entlarven. Solche Lehrer arbeiten nachts nebenberuflich als Bewegungsmelder im Sicherheitssystem von Banken oder Juwelieren. Sie riechen es, wenn jemand Dreck am Stecken hat. Da hast du als Schüler keine Chance.
    Andere Lehrer wiederum kann man nach Strich und Faden auf den Arm nehmen. Da kommt man auch einmal mit dem Ablesen eines Wikipedia-Artikels durch. Man sollte nur die Menüoption «Bearbeiten», die bei Wikipedia hinter jeder Überschrift steht, nicht unbedingt mit vorlesen.
    Schummeln gehört zu Schülern wie das Zocken zu Bankern und Börsenmaklern. Bei beidem gilt: je riskanter, desto interessanter. Da wird in der Schule für den Fall, dass es mal schiefgehen sollte, eine 6 wegen vorsätzlicher Täuschung genauso wie ein unkontrollierbarer Finanz-Crash in der anderen Branche eben hingenommen. No risk, no fun!
    Es gibt aber neben Klausuren und Hausaufgaben noch einen dritten Bereich, wo ein wenig Pfusch durchaus weiterhelfen kann: das Vorsagen im Unterricht.
    Wie oft passiert es einem Schüler, drangenommen zu werden, wenn er genau diese eine Vokabel nicht weiß. Bisher hatte er natürlich alle gewusst, was er der Lehrkraft auch schnell versichern muss, um ein bisschen Zeit zu gewinnen. Diese Zeit können dann solidarische

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