Wenn der Tod mit süßen Armen dich umfängt
Michael reckte sich und streckte die Arme aus, als wolle er es mit der ganzen Welt aufnehmen. Der Mut des Jungen nötigte Jake Respekt ab. »Ich kenne mich im Tempel aus. Wenn Sie diese Bomben finden wollen, sollten Sie sich an mich halten.«
»Weißt du, wie man eine Bombe entschärft?«, fragte Jake ohne viel Hoffnung. Er selbst hatte lediglich ein paar Kurse im Federal Law Enforcement Training Center in Glencoe zu dem Thema besucht, damals, als er zur Strafverfolgung gewechselt war. Und das war fast zehn Jahre her. In seiner Zeit als Steuerfahnder hatte er dem Thema Bombenentschärfung ebenfalls nicht besonders viel Aufmerksamkeit gewidmet.
»Nein«, sagte Michael. Er wirkte nun viel ruhiger, dabei aber sehr entschlossen.
Jake schaute zur Tempelspitze empor, die über ihnen aufragte. Falls das Ding in die Luft flog, würde der Junge sich ohnehin niemals rechtzeitig in Sicherheit bringen können. Warum sollte er dann nicht auch mit anpacken?
»Bleib hinter mir, sei ruhig, und tu genau das, was ich dir sage.« Er reichte Michael die Solarlaterne, die ihm Caitlyn dagelassen hatte. »Schalte sie erst ein, wenn ich dir sage, dass es ungefährlich ist.« Sie machten sich auf den Weg. »Kannst du mit einer Waffe umgehen?«
»Nein, Sir.«
Jake dachte kurz nach. Jemanden im Rücken zu haben, der eine Waffe trug, aber nicht damit umgehen konnte, gefiel ihm überhaupt nicht. Sollten sie jedoch entdeckt werden, könnte ein zweiter bewaffneter Mann den entscheidenden Vorteil bringen. Er zog den Revolver hervor, den er vorhin in der Kirche an sich genommen hatte, und gab ihn Michael. »Der hat keine Sicherung, du musst einfach zielen und den Abzug drücken, und zwar bis zum Anschlag.«
Michael wog die Waffe in der Hand und hob sie an. Jake legte ihm eine Hand auf den Arm, damit der Lauf wieder nach unten zeigte. »Ziel niemals auf mich und schieß erst, wenn ich es dir sage, verstanden?«
Michael nickte, und gemeinsam machten sie sich auf den Weg zum Tempel. Wieder mal tobte eine Affenmeute unter wildem Gekreische über ihren Köpfen. Jake verdrehte die Augen. Er konnte es den verfluchten Biestern nachfühlen.
Hector und seine Männer beförderten Caitlyn und Cho auf den Hof, wo sie sich mit hinter dem Kopf verschränkten Händen hinknien mussten. Auf der anderen Seite des Hofs redete Maria eindringlich auf ihren Vater ein, deutete auf Cho, dann auf das Haus … offenbar erklärte sie ihm, was vorgefallen war. Caitlyn hielt es für das Beste, erst einmal abzuwarten, wie sich die Lage entwickelte. Ohne Waffe konnte sie ohnehin nicht viel ausrichten, und Hector hatte sie heute schon einmal beinahe umgebracht– ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.
Während sie warteten, führte Romero eine Frau mittleren Alters in Schwesterntracht aus dem Klinikgebäude, die sich jedoch heftig wehrte und auf Deutsch vor sich hin fluchte. »Die hab ich im Arbeitszimmer gefunden«, sagte Romero zu Hector und hielt ihm einen tragbaren Laptop hin. »Sie hat hier auf dem Bildschirm irgendetwas verfolgt – meinen Sie, das könnte uns zu Carrera führen?«
»Wo steckt er?«, blaffte Hector die Frau an. Die Krankenschwester ließ sich nicht einschüchtern, sah ihm unerschrocken in die Augen und spuckte ihm dann ins Gesicht.
Einer von Hectors Männern zog ihr mit dem Gewehrkolben eins über, und sie ging zu Boden. Cho rannte los, ohne die auf ihn gerichteten Gewehre zu beachten. Aber als er bei der Frau ankam, hatte sie sich schon wieder aufgerappelt.
»Er ist fort, um seinen Sohn zu retten. Und Sie werden ihn nicht aufhalten.« Sie warf einen wütenden Blick in die Runde. »Keiner von euch wird das.« Dann wandte sie sich Maria zu. »Du – du bist nichts verglichen mit dem Mann, der aus Michael werden könnte. Dummes Mädchen.«
Maria wurde ganz blass. Jedoch nicht wegen dem, was die Frau zu ihr gesagt hatte. Sondern weil sie einen Blick auf den Bildschirm geworfen hatte. Sie nahm Romero den Laptop ab. »Kevin, ist ein Peilsender in das LVAD eingebaut?«
»Was ist ein LVAD ?«, fragte Caitlyn.
»Linksventrikuläres Unterstützungssystem«, antwortete Cho. »Eine Art künstliches Herz, wenn Sie so wollen. Das habe ich letzten Monat Carreras Sohn Michael eingesetzt.«
Michael, Marias Zwillingsbruder. Caitlyn fragte sich, ob das Mädchen überhaupt schon davon wusste.
»Können Sie Carrera hiermit irgendwie verfolgen?«, wollte Hector wissen.
Cho sah sich den Computer genauer an. Hector wies seine Männer an, sich zurückzuhalten.
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